Unser Büchertipp:
Haupt- und Nebenstrecken in Ostwürttemberg
Kalender mit Bilder der Brenztalbahn für das Jahr 2025
Württembergische T. Das Nesthäckchen der Reichsbahn und seine Vorgänger
Eine Dokumentation über die Anfänge des öffentlichen Stadtlinienverkehrs in Stuttgart - 1860 bis 1897
22.11.17 22:44 Uhr Alter: 7 Jahre
Brenzbahn-Pannen: Die Bahn ist unschuldig, doch die HZ ist zu dumm, das zu verstehen
Von: sie
Es ist wie im richtigen Leben, alles ist sooo kompliziert. Von was ich rede? Von der Eisenbahn. Und von der Politik. Und vom Vortrag des Konzernbevollmächtigten für BadenWürttemberg, Sven Hantel, der „nur“ 59 Sekunden über eine Strecke spricht, die für uns wichtig ist, aber im Gesamtgefüge noch nicht einmal zwei Prozent abdeckt: 3892 Kilometer in Baden-Württemberg und 72 Kilometer die Brenzbahn.

Da sind 59 Sekunden sehr viel, gemessen an den Minuten, die Herr Hantel über seine wichtige Projekte gesprochen hat.

Aber die Eisenbahn ist ja sooo kompliziert und der Durchführer schlechter Bahnpolitik wird im Beitrag wieder kräftig gescholten. Der Journalist ist enttäuscht, weil Hantel aus seiner Sicht nicht gebührend auf die zwei Prozent eingegangen ist.

Offensichtlich ist die Eisenbahn ja sooo kompliziert, dass der Journalist die Zusammenhänge nicht verstehen kann oder sogar nicht will? Deshalb sei mir die Frage erlaubt, wem denn die Deutsche Eisenbahn gehört? Sich selbst, wie bei vielen Firmen? Oder einem russischen Oligarchen? Oder hat gar der Amerikaner da seine Finger drin? Nein, sie gehört dem deutschen Staat. Und weil sie dem deutschen Staat gehört, ist die aktuelle Bundesregierung beauftragt, sie zu hegen und zu pflegen.

Weil die Vergangenheit aber gezeigt hat, dass das die Bundesregierung nicht kann und tut, wurden 1994 die Nahverkehrsaufgaben an die Länder zurückgegeben. Und da die damalige baden-württembergische Landesregierung kein Interesse an ihrer Eisenbahn hatte, hat sie den großen Verkehrsvertrag mit der Deutschen Bahn AG abgeschlossen – „da, mach du’s, ich will nix damit zu tun haben“ – bis 2016.

Wie auch ein Journalist unschwer erkennen kann, ist bei diesem Spiel die Bahn nur der Auftragnehmer – sie macht, was ihr Eigentümer will. Und wenn der Eigentümer nicht sagt, was er will, macht die Bahn, was sie will, unter Vorgaben, die der Eigentümer irgendwann mal zwischen 1835 und 2016 festgelegt hat – puh, ist das kompliziert! Also: Bund (Fernverkehr) und Land (Nahverkehr) beauftragen die Bahn, fahre von A nach U und halte auf allen auf der Strecke befindlichen Bahnhöfen am Bahnsteig an.

Dafür bekommt die Bahn von Bund und Land Kilometergeld.

Ui, ui, ui – jetzt wird’s noch komplizierter.

Die Deutsche Bahn AG besteht leider aus mehreren Firmen: DB Netz, DB Regio, DB Fernverkehr, DB Cargo. Alle sind dazu da, damit ein Zug von A nach U fahren kann. Sie müssen also alles, was dazu notwendig ist, beschaffen, pflegen und nutzen. Dabei werden die Empfangsgebäude nicht mehr gebraucht: Kein Bediensteter wohnt mehr drin, kein Stellwerk wird da noch bedient, keine Fahrkarte wird da mehr verkauft. Für den laufenden Betrieb steht es nur noch rum – deshalb versucht sie es zu verkaufen, nicht nur auf der Brenzbahn. Den Wink, den Hantel gegeben hat, hat der Journalist nicht verstanden? Die Bahn will die Empfangsgebäude (nicht die Bahnhöfe) lieber an die Kommunen als an Private verkaufen.

Und die Elektrifizierung? Hat Hantel da nicht auch davon gesprochen? Aber scheinbar ist auch das zu kompliziert für den Journalisten gewesen. Denn Hantel hat etwas gesagt, das zwar nicht in den 59 Sekunden enthalten war, aber von äußerster Wichtigkeit für unsere Brenzbahn ist. Aus der aktuellen Rastatter Erfahrung ist in Politik und beim DB Konzern ein Projekt entstanden, das die Elektrifizierung der deutschen Eisenbahnen vorantreiben wird. Man weiß doch sicherlich, dass die Brenzbahn auch einen Fahrdraht erhalten soll.

Wäre es da nicht Aufgabe eines Journalisten, solche Zusammenhänge aufzuzeigen? An unsere Politiker und die Leser die Frage zu stellen, ob wir uns da nicht dranhängen müssen? Sven Hantel hat in seinem Vortrag offenkundig gemacht: Die Bahn ist lange Zeit von ihrem Eigentümer sträflich vernachlässigt worden. Und das hat sich in der fehlenden Investition in die Substanz der Schiene gezeigt – Brücken, Tunnels, Fahrdraht, Trassen, Qualität und Service.

Und noch etwas Kompliziertes hat er erwähnt, was nicht in den 59 Sekunden, aber in anderen seiner Projekten enthalten war: Das Programm „bwegt“. Das ist zwar nicht von der Deutschen Bahn AG, wird aber die Brenzbahn wesentlich verändern.

„Bwegt“ kommt aus der momentanen Landesregierung und wird bereits im Dezember 2019 auf der Brenzbahn mit neuen Fahrzeugen sicht- und spürbar. Warum erläutert die HZ nicht, dass diese Veränderungen die momentane Situation beeinflussen und dass es wahrscheinlich bis Mitte 2020 dauern wird, bis sich die Verhältnisse auf der Brenzbahn auf Grund eines neuen Eisenbahnverkehrsunternehmens, neuer Rahmenbedingungen und neuer Fahrzeuge wieder normalisieren? Wäre es dabei nicht Aufgabe der Zeitung, die Zielsetzungen seiner globalen Aussagen und Projekte auf unsere Brenzbahn herunterzubrechen? Wäre es nicht Aufgabe der HZ, der Politik ihre Versäumnisse aufzuzeigen und sie dafür zur Rechenschaft zu ziehen? Und wäre es nicht auch die Aufgabe der HZ, darauf hinzuweisen, dass solche Gespräche mit dem Eigentümer und nicht mit den Auftragnehmer geführt werden müssen?