Der Grenzbote 1864

Der Grenzbote schrieb 1864 zur Eröffnung des ersten Teilstückes der Brenztalbahn:

 

Der Grenzbote 1864

 

Gesetz, betreffend die weitere Ausdehnung des Eisenbahnnetzes

Am 17. November 1858 verabschiedete die württembergische Regierung das für die Brenzbahn maßgebliche Gesetz zu ihrem Bau.

 

Gesetz vom 17. November 1858, betreffend den weiteren Bau von Eisenbahnen

 

Schwäbische Chronik

Donnerstag, der 15. Sept. 1864

Der zur Eröffnungsfeier am 13. September 1864 erschienene Bericht.

 

Donnerstag, der 15. September 1864

 

1. Abschnitt Aalen-Heidenheim

Nahverkehrszug zwischen Schnaitheim und dem Brunnenkopftunnel. Am Zug hat sich bis in die Mitte der Neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts wenig verändert. Heute verkehren schnelle "RegioShuttles" auf der Strecke. Um 1960. Heidenheimer Zeitung.

Ab dem ersten Spatenstich nahm in Württemberg der Eisenbahnbau bis zum Jahre 1854 einen zügigen Fortgang. Anfang Oktober 1845 war die Teilstrecke Cannstatt-Untertürkheim und damit die erste Strecke der württembergischen Staatseisenbahn vollendet. Schlag auf Schlag folgten die anderen Teile, so daß am 29. Juni 1850 die ganze Strecke Heilbronn-Stuttgart-Filstal-Alb-Ulm-Friedrichshafen befahren werden konnte. Es folgte die Westbahn an die badische Grenze am 1. Oktober 1853 und am 1. Juni 1854 der Anschluß in Ulm an Bayern.

Damit war dem Gesetz vom 18. April 1843 Genüge getan, und nachdem die Bahnen durch den Anschluß an die Nachbarstaaten den Aufwand für die Verzinsung und Tilgung des Anlagekapitals eingebracht hatten, faßte nach einer angemessenen Pause die Regierung im Jahre 1856 den Bau weiterer Linien ins Auge und brachte in der Folgezeit bei der Ständeversammlung entsprechende Gesetzentwürfe ein. Während die Württemberger im Jahre 1843 eher abwartend waren, was den Bau der Eisenbahnen betraf, so wurde jetzt mit Nachdruck versucht, andere Landesteile mit Eisenbahnen zu erschließen.

Bereits 1851-1856 wurden mehrere Gesuche des Schwarzwaldkreises in den Landtag eingebracht, die den Bau einer oberen Neckarbahn zum Gegenstand hatten.

So auch in Heidenheim, von wo aus 1853 eine Deputation mit der Bitte an den König gesandt wurde, das Projekt Lonsee-Heidenheim Wasseralfingen-Nördlingen zu prüfen. Trotz des Vertrages mit Bayern wurde daraufhin Oberbaurat Gaab beauftragt, unverzüglich die notwendigen Vorarbeiten für diese Strecke in die Wege zu leiten. Etzel, Klein und Knoll hatten in den Jahren 1844/45 schon entsprechende Vorplanungen angefertigt; allerdings wurde damals noch an eine Abzweigung in Westerstetten statt in Lonsee gedacht.

Auf Grund dieser Vorarbeiten wurde der erste Gesetzentwurf am 7. Februar 1857 zur Diskussion in die Ständeversammlung eingebracht. Darin hieß es unter Artikel I.:

Es wird auf Rechnung des Grundstockes eine Eisenbahn von Plochingen nach Reutlingen und eine Eisenbahn von Lonsee über Heidenheim nach Wasseralfingen gebaut.

Begründet wurde der Gesetzentwurf damit, daß Zweigbahnen auf die Belebung des Verkehrs der Hauptbahnen vorteilhaft einwirken, und daß die geringere Rentabilität der Zweigbahnen sich wenigstens teilweise durch einen höheren Ertrag der Hauptbahnen ausgleichen würden.

Lokomotiventgleisung am 11. August 1972, kurz bevor sich die Bundesbahn das "Rauchen" abgewöhnte. Heidenheimer Zeitung.

Die Frage, nach welchen Richtungen von der Hauptbahn ausgehende Zweigbahnen anzulegen seien, wurden hauptsächlich diejenigen Gegenden in Betracht gezogen, die für die Entwicklung der industriellen Tätigkeit noch eine Eisenbahnverbindung forderten. Mit nicht an der Bahn liegenden, industriell interessanten Landesteilen war die Gegend zwischen Reutlingen und Plochingen und das obere Kocher- und Brenztal gemeint.

Für das obere Kocher- und Brenztal wurden in erster Linie die Hüttenwerke in Wasseralfingen, Abtsgmünd, Unterkochen und Königsbronn aufgeführt, sowie Heidenheim mit seinen 21 Fabriken. In dem Vortrag des Ministers der Finanzen zu diesem Gesetzentwurf hieß es ... daß für keine Gegend des Landes die Verbindung mit den bestehenden Eisenbahnen durch eine Zweigbahn dringenderes Bedürfnis und in finanzieller, wie volkswirtschaftlicher Beziehung lohnender sei, als für das obere Kocher- und Brenztal.

Der Finanzminister führte zwei Varianten auf, um das Gebiet zwischen Wasseralfingen und Heidenheim an die bestehende Hauptbahn anzuschließen. Eine weitere Variante, ebenfalls schon von Etzel, Knoll und Klein 1844/45 vorbereitet, kam noch hinzu, so daß drei Möglichkeiten zur Diskussion standen:

  • Hauptbahn bei Eislingen-Schurwald-Gmünd-Aalen mit Anschluß an Bayern bei Nördlingen und einer Zweigbahn von Aalen nach Ulm,
  • Hauptbahn bei Lonsee-Heidenheim-Wasseralfingen-Nördlingen und
  • Cannstatt-Waiblingen-Gmünd-Aalen-Nördlingen und ebenfalls einer Zweigbahn von Aalen, aber nur bis Heidenheim.
Eilzug der 60er Jahre vor der Einfahrt in den Bahnhof Heidenheim. Der Bahnübergang der Brenzstraße im Vordergrund wurde 1972 geschlossen. Weiter hinten entstand dafür eine Unterführung, die nach dem Verkehrsplaner Feuchtinger benannte Feuchtingersche Unterführung, für die Bundesstraßen 19 und 466.

Ein sehr gewichtiges Moment für die Entscheidung der Frage, von welcher Station die Bahn abzweigen und in welche Richtung sie geführt werden solle, bildete die Möglichkeit eines unmittelbaren Anschlusses an die bayerische Bahn bei Nördlingen. Die bayerische Regierung lehnte die beiden bei Eislingen und Lonsee beginnenden Bahnen mit der Begründung ab, sie wären ca. zehn bzw. sieben Meilen kürzer nach Friedrichshafen als die Nördlingen-Lindauer Linie, sie war jedoch nicht abgeneigt, einem Anschluß bei Nördlingen zuzustimmen, wenn die Bahn bei Cannstatt von der Hauptbahn abzweigen würde. Deutlich ist zu erkennen, daß Württemberg die Ost Westverbindung, also Stuttgart-Nürnberg, anstrebte, während Bayern die Nord-Südrichtung Würzburg-Nördlingen Bodensee für sich in Anspruch nehmen wollte.

In dem zitierten Bericht der volkswirtschaftlichen Kommission der Kammer der Abgeordneten führten Moritz Mohl und Freiherr von Varnbühler weiter auf:

Übrigens dürfte es wohl kaum der Bemerkung bedürfen, daß die Herstellung einer Bahn von Heidenheim an die Ostbahn hinsichtlich der Priorität zurückzustehen haben dürfte gegenüber dem Bau der Bahnstrecke Heidenheim-Aalen, welche sich an die Linie über Gmünd nach Nördlingen anschließt und im Interesse Heidenheims und des gesamten Industriebezirks im oberen Kocher- und Brenztale unstreitig zu den dringendsten des Landes gehört, deren Exigenz daher in der nächstfolgenden Finanzperiode zu hoffen sein dürfte.

Die im Zweiten Weltkrieg zerstörten Brücken über die Brenz wurden provisorisch hergerichtet. Hier wird um 1960 das Provisorium bei Königsbronn gegen eine Neukonstruktion ausgetauscht. Karl Schneider.

In der Zwischenzeit wurde das Gesetz vom 18. April 1857 verabschiedet, mit dem der Bau der Linie Reutlingen Rottenburg beschlossen wurde.

Unklarheit bestand aber weiterhin über die Abzweigung von der Ostbahn zur Remsbahn, denn durch die Verhandlungen über den Anschluß bei Nördlingen mit Bayern waren Württemberg die Hände gebunden.

Erst am 17. November 1858 wurde das Gesetz betreffend die weitere Ausdehnung des Eisenbahnnetzes verabschiedet. Es bestand aus drei Teilen, die die Richtung der Linien bestimmten (siehe Orginaltext).

Damit stand zwar fest, daß eine Eisenbahn durch das Brenztal fahren werde, aber nicht der Zeitpunkt, wann sie gebaut werde.

Der erwähnte Anschluß der württembergischen an die bayrischen Eisenbahn erforderte langwierige Verhandlungen beider Staaten. Erst am 21. Februar 1861 konnte der Vertrag unterzeichnet werden.

Zwei Züge in Heidenheim: Nahverkehrszug gezogen von der 215 104-1 und Eilzug mit 218 415-8. Winter 1979.

Dieser Vertrag hatte für die Brenzbahn schwerwiegende Folgen, insbesondere dessen Artikel 37:

 

Vertrag zwischen dem Königreich Bayern und
dem Königreich Württemberg
vom 21. Februar 1861

 

Wir haben von dem Vertrage Einsicht genommen, welcher unter dem 21ten Februar laufenden Jahres von unserem Staats-Ministerium des königlichen Hauses und des Äußern, sowie des Handels und der öffentlichen Arbeiten, Carl Freiherr von Schrenk mit dem von seiner Majestät dem König von Württemberg hiezu beauftragten außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister an unserem Hoflager Grafen von Degenfeld-Schomberg, die Herstellung einer weiteren Verbindung der beiderseitigen Staats-Eisenbahn betreffend, abgeschlossen und unterzeichnet worden ist und welcher von Wort zu Wort also lautet:

Die königlich bayrische und die königlich württembergische Regierung in der Absicht, eine weitere Verbindung zwischen den beiderseitigen Staats-Eisenbahnen zu vereinbaren, haben zu diesem Zwecke Bevollmächtigte ernannt, welche vorbehaltlich der höchsten Ratifikation nachfolgenden Vertrag unterzeichnet haben:

 

Artikel XXXVII

Die königlich Württembergische Regierung verpflichtet sich, innerhalb eines Zeitraumes von zwölf Jahren vom Tage der Eröffnung der Cannstatt-Nördlinger Eisenbahn an, keine Schienenverbindung zwischen dieser Bahnlinie und der Cannstatt-Ulmer Eisenbahn herzustellen oder herstellen zu lassen, durch welche die württembergische Bahnlinie von Nördlingen bis Friedrichshafen kürzer werde, als die bayrische Linie von Nördlingen bis Lindau.

Nachdem wir vorstehenden Vertrag in allen seinen Artikeln und Bestimmungen eingesehen und geprüft haben, genehmigen und ratifizieren wir denselben zu allen Punkten und versprechen ihn getreulich in Erfüllung bringen und beachten zu lassen.

Dessen zur Urkunde haben wir gegenwärtige Ratifikation unter unserer eigenhändigen Unterschrift und Beidrückung unseres königlichen Insiegels ausfertigen lassen.

So geschehen in unserer Haupt- und Residenzstadt München am einunddreißigsten März eintausendachthundert und einundsechzig

Maximilian

215 074-6 bei der Einfahrt in den Bahnof Heidenheim. 1983.

Bereits am 4. Mai 1861 wurde erneut ein Gesetzentwurf vorgelegt, um den Anschluß an Bayern und den Anschluß Heidenheims an das Eisenbahnnetz frühestmöglich zu erreichen. Durch das Gesetz vom 10. Januar 1862 für die Finanzperiode 1861/64 wurde endlich nach 28 Jahren, von der ersten Erwähnung des Brenztals in Verbindung mit der Eisenbahn vom Jahre 1834 an gerechnet, die ersehnte Verbindung des Brenztales mit dem Weltverkehr beschlossen. Es dauerte weitere 2 1/2 Jahre, bis die Bahn, wenn auch nur bis Heidenheim, in Betrieb genommen wurde.

 

Die Eröffnung der anderen Bahnlinien waren:

  • Plochingen-Reutlingen (34,4 km) am 20. September 1859,
  • Cannstatt-Wasseralfingen (74,21 km) am 25. Juli 1861,
  • Reutlingen-Rottenburg (24,99 km) am 15. Oktober 1861,
  • Heilbronn-Hall (53,83 km) am 4. August 1862 und
  • Wasseralfingen-Nördlingen (33,54 km) am 3. Oktober 1863.

 

Nachdem am 10. Januar 1862 das Gesetz verabschiedet worden war, wurde im Mai 1862 bereits die Linie ausgesteckt. Gegenüber der früher geplanten Streckenführung wurde lediglich der Umlaufberg zwischen Itzelberg und Aufhausen, die Siebenfußhalde, mittels eines Tunnels durchbrochen. Während der Planung der Strecke wurde bereits ein zweites Gleis mit eingeplant, für später zu erwartenden Transitverkehr. Dieses zweite Gleis ist heute noch sichtbar an den Widerlagern der Brücken.

 

Für die Einzelbearbeitung der Pläne und Überschläge und die Ausführung des Baues wurden die Bauämter:

  1. Königsbronn mit Bauinspektor Laissle,
  2. Heidenheim mit Bauinspektor Klemm und
  3. Hochbauamt Aalen mit Bauinspektor Lang,

eingerichtet.

Zwei Dampflokomotiven im Bahnhof Heidenheim: Baureihe 58 und 91. Um 1923. Stadtarchiv Heidenheim.

Am 20. August 1862 wurde der 900 Fuß (257,8m) lange Brunnenkopftunnel für 152000 fl., am 16. Dezember das zweite Arbeitslos von Aufhausen bis Schnaitheim für 122428 fl. ausgeschrieben. Es folgte am 27. Mai 1863 das Arbeitslos von Schnaitheim bis Heidenheim für 276457 fl. und am 6. August die Ausführung der Hochbauten der Station Heidenheim, Verwaltungsgebäude, Güterschuppen, Lokomotivremise, Drehscheibe, Wasserspeicher u.s.w.

Noch im selben Jahr legte Oberamtsbaumeister Wulz aus Heidenheim die Fundamente. Südlich des Bahnhofes wurden die Gleise noch mit einer eisernen Brücke über die Brenz geführt, in Erwartung des Weiterbaues nach Ulm. Dabei wurde erstmals vom Fuße des Totenbergs Gestein abgesprengt. Ebenso wurde der Steinhirt im Steinheimer Becken der Felsenkrone beraubt und das anfallende Gestein als Schotter für den Bahnbau eingesetzt.

Der Bau der Bahn bot keine besonderen Schwierigkeiten, so daß die Strecke am 12. September 1864 feierlich eröffnet wurde und am 15. d. M. der reguläre Betrieb begann.

Zur Eröffnungsfeier wurden mehrere Freifahrten nach Aalen unternommen, fünf hin und vier zurück. Der Festzug durch die reichgeschmückte Stadt Heidenheim (es wurden allein 300 fl. für Fahnentücher bewilligt) endete mit einem großen Festessen im damals neuen "Ochsen" und in der "Traube", mit je 150 Gedecken. Daraufhin wurde ein Spaziergang zum Schloß unternommen und am Abend ein Ball veranstaltet. Den musikalischen Beitrag leistete das Ludwigsburger Artilleriemusikkorps, und um den denkwürdigen Tag zu unterstreichen, wurden allein 56 Kanonen- und 250 Böllerschüsse ausgelöst.