Die ersten Personenbeförderungen

Die Postwege von 1819.

Bereits lange Zeit bevor die ersten Eisenbahnen durch das Land fuhren, holperten die Postkutschen über die steinigen Straßen von Württemberg. Zu jener Zeit konnte die Personenbeförderung in der Postkutsche bereits auf eine beachtliche Geschichte verweisen. Nachdem diese einzige  öffentliche Fahrgelegenheit von Amts wegen sehr streng reglementiert und genaue Fahrpläne vorhanden waren, dürfen wir diese Einrichtung als Vorläuferin der Eisenbahn und des heutigen öffentlichen Nahverkehrs bezeichnen.

Die ersten Verkehrsverbindungen waren längs der bestehenden Handelswege eingerichtet worden. So entstanden in Württemberg während des Mittelalters verschiedene Einrichtungen, die Briefe oder Personen beförderten:

  • das landesherrliche und
  • das reichsstädtische Botenwesen,
  • die Metzgerposten,
  • das Taxis'sche Post-, später Reichspostwesen und
  • die privaten Landkutschen.
Die letzte Pferdepostkutsche am 1. Oktober 1921 in der Wilhelmstraße von Heidenheim.

Die beiden erstgenannten Einrichtungen waren anfangs nur zur Beförderung von schriftlichen Nachrichten eingerichtet worden. Sie waren auf die Bedürfnisse der landesherrlichen und reichsstädtischen Gemeinwesen gegründet, und die  Bevölkerung hatte mangels Schulbildung nur zu einem geringen Teil ein Bedürfnis nach einem postartigen Verkehrsmittel. Im allgemeinen wurden Boten zu Fuß oder zu Pferd entsandt und dienten schon sehr bald nicht nur zur Übermittlung von Briefen, sondern auch von Paketen und Sachen. Jedoch fehlte es an einem geordneten Zusammenwirken der verschiedenen Anstalten für die Zwecke der Allgemeinheit.

Da die geschilderten Verkehrseinrichtungen nur dem Zweck einzelner Städte oder Interessenkreise dienten, war die Bevölkerung im allgemeinen genötigt, sich nach einem anderen Verkehrsmittel umzusehen.

Dies bot sich in der Zunft der Metzger, die für ihren Gewerbebetrieb in der Regel Pferde halten mussten, mit denen sie im Umkreis ihres Wohnortes zum Vieheinkauf ritten oder fuhren. Diese Geschäftsreisen wiederholten sie ziemlich regelmäßig, und es war daher naheliegend, sich bei der Brief-, Sach- und auch Personenbeförderung dieser Gelegenheit zu bedienen. Die erhaltenen Briefe und Pakete bestellten die

Der Abdruck der Postkutschenkurse durch die Oberpostdirektion Stuttgart für die Verbindungen in Heidenheim, 1856

Metzger entweder selbst oder übergaben sie ihren Genossen zur Weiterbeförderung. Damit erhielt diese Institution in Orten, wo mehrere Metzger oder gar eine Metzgerzunft sich befand, unter amtlicher Aufsicht eine gewisse Organisation. So befanden sich in Württemberg gegen Ende des 16. Jahrhunderts Metzgerstationen u.a. in Cannstatt, Göppingen, Heidenheim, Lorch und Ellwangen.

In Heidenheim bestand schon um das Jahr 1600 eine solche Metzgerpoststation, die in der Hauptstraße, in der Krone, untergebracht war und als Vorläuferin des im Jahre 1749 im selben Gebäude erstellten Postamtes zu betrachten ist.

Im Vergleich mit der Karte von 1819 ist die Zunahme des Verkehrs bis 1901 deutlich zu sehen.

Eine sehr wesentliche Änderung in der Beförderung von Reisenden sowie von Briefen und Paketen wurde teils durch die Zunahme des Handels und die damit Hand in Handgehende Vermehrung des Verkehrs, teils durch die Taxis'schen Postritte herbeigeführt. Diese Postritte führten durch Württemberg auf dem Wege von Pforzheim durch das Würmtal über Schafhausen a. d. Würm, Plochingen,  Gingen a. d. Fils nach (Ulm-) Söflingen, wo sich der Kurs teilte. Der eine Postreiter ritt nach Augsburg, der andere durch das Illertal über Lermoos nach Innsbruck. Dieser Kurs stellte bis 1516 den schriftlichen Verkehr zwischen dem deutschen Kaiser und seinen Gesandten in Deutschland und den Niederlanden her. Ab 1516 führte der Kurs von Innsbruck weiter nach Italien und erhielt somit eine größere Bedeutung. Die Taxis'schen Posten waren im 17. Jahrhundert durchweg Reitposten und beförderten nur private und kaiserliche Briefe und Reisende zu Pferd. Postwagen zur Beförderung von Waren, Geldern und Personen kamen bei Taxis erst Mitte des 18. Jahrhunderts auf. Am Ende des 17. Jahrhunderts bestanden folgende Postkurse des Hauses Taxis:

  • der alte Kurs von den Niederlanden nach Österreich über Enzweihingen, Cannstatt, Plochingen, Göppingen, Westerstetten vorbei an Ulm,
  • von Enzweihingen aus nach Pforzheim und Straßburg,
  • von Ulm über Giengen a. d. Brenz, Dischingen, Nördlingen, Gunzenhausen nach Nürnberg,
  • von Cannstatt über Tübingen und Balingen nach Schaffhausen.

Die allmählich wieder zunehmende Steigerung von Handel und Verkehr nach dem dreißigjährigen Krieg veranlasste die Landesherren, ein neues Verkehrsmittel für Reisende und Waren durch Einrichtung von Landkutschen einzuführen. So entstand 1682 eine wöchentliche Verbindung von Stuttgart über Heilbronn nach Heidelberg, mit Anschluss an die zwischen Straßburg und Frankfurt verkehrende Landkutsche. Von Stuttgart nach Ulm bestand schon seit 1630 eine Verbindung, die ab 1683 mit Landkutschen gefahren wurde und nun auch nach Oberschwaben benutzt werden konnte. 1684 wurde die Erlaubnis erteilt, von Straßburg nach Stuttgart eine Landkutsche zu fahren, 13 Jahre später ging eine alle zehn Tage von Schaffhausen über Stuttgart nach Frankfurt und zurück. 1692 entstand noch eine Verbindung zwischen München über Dinkelsbühl, Ellwangen und Heilbronn nach Brüssel. Zur Vermeidung von Streitigkeiten mit der Taxis'schen Reichspost durfte sie keine Briefe, sondern nur Personen und Sachen befördern.

Der letzte von Pferden gezogene Paketzustellwagen am 31. Juli 1949.

Im Frühjahr 1705 entschloss sich Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg, eine eigene Landespostanstalt einzurichten. Die reitenden und gehenden Boten, die Metzgerposten und die Landkutschen wurden abgeschafft. An ihrer Stelle sollten schnellfahrende Landpostwagen auf den seitherigen Postrouten, auf denen die Taxis'sche Post nicht verkehrte, angelegt werden.

Fürst von Taxis versuchte den Herzog davon abzuhalten, zunächst ohne Erfolg. Darauf wandte Taxis sich an den kaiserlichen Hof und an den Reichshofrat sowie an die in Betracht kommenden Landesherren und Reichsstädte, so dass sich der Einrichtung der geplanten Landespost bedeutende Hindernisse entgegenstellten. 1715 wurde nach längerem Streit zwischen Württemberg und der Reichspost die Landespost wieder eingestellt; die Routen für Landkutschen wurden verpachtet, die Metzgerposten nicht mehr eingerichtet.

Mit der Neuregelung des Postwesens im Jahre 1715 hörten die Streitigkeiten auf, und das Reichspostwesen konnte sich in Württemberg ungehindert ausbreiten. Etwa um die Mitte des 18. Jahrhunderts führte die Reichspost Postwagen ein, und 1775 gingen die Landkutschen auf Taxis über.

1805 übernahm der württembergische Staat die Post unter seine Regie, und es kamen folgende, auf württembergischen Gebieten befindliche Kurse in seinen Besitz:

  • Stuttgart-Enzweihingen-Knittlingen mit Fortsetzung nach Karlsruhe,
  • Stuttgart-Ludwigsburg-Heilbronn mit Fortsetzung nach Heidelberg-Frankfurt,
  • Stuttgart Schorndorf-Gmünd-Aalen-Ellwangen mit Fortsetzung nach Nürnberg, Stuttgart-Cannstatt-Eßlingen-Göppingen mit Fortsetzung nach Ulm-Augsburg,
  • Stuttgart Tübingen-Tuttlingen mit Fortsetzung nach Schaffhausen und Anschluß nach Ebingen und Rottweil,
  • Heilbronn-Hall mit Fortsetzung nach Rothenburg-Nürnberg
  • und Aalen-Heidenheim-Giengen-Dillingen mit Fortsetzung nach Augsburg.

Für die neu hinzugekommenen Gebiete entstanden in der Folgezeit noch:

  • Stuttgart Waiblingen-Backnang-Sulzbach-Neulautern-Hall,
  • Stuttgart-Neckartailfingen-Metzingen-Urach-Zwiefalten-Riedlingen-Biberach,
  • Stuttgart-Böblingen-Herrenberg-Nagold-Freudenstadt,
  • Stuttgart-Magstadt-Calw mit Anschluß nach Herrenberg und
  • Tübingen-Rothenburg-Horb-Hornberg.

Es trat eine rege Tätigkeit ein, und viele Kurse wurden neu angelegt oder verändert. So auch auf der Ostalb: Vom 1. Januar 1812 an wurde der Postwagen von Augsburg über Dillingen, Hermaringen nach Aalen aufgehoben und dafür ein Postkurs von Ulm über Nerenstetten Heidenheim nach Aalen eingerichtet. 1813 wurde ein Postwagen von Aalen über Bopfingen nach Nördlingen eingeführt.

Die Heidenheimer Postkutsche, heute im Kutschenmuseum auf Schloss Hellenstein zu bewundert, auf regelmäßigen Rundkurs in Ulm. Frisch restauriert am 3. Juni 1984.

Die württembergische Regierung hatte die Post nicht lange in ihren Händen. 1819 wurde sie um einen jährlichen Lehenskanon von 70000 fl. als erbliches Lehen an den Fürsten Thurn und Taxis überlassen. 1851 wechselte abermals der Besitzer: Württemberg übernahm endgültig die Post.

Die Maschen des württembergischen Postnetzes wurden in der Folgezeit immer enger. So entstanden ab 1822 mehrere Verbindungen auf der Ostalb. Ein Eilwagen Heidenheim Neresheim-Nördlingen machte den Anfang. Es folgte 1838 ein dreimal wöchentlich verkehrender Eilwagen von Aalen nach Biberach. Fünf Jahre später, am 1. August 1843, folgte der erneut eingerichtete Kurs, ein täglicher Eilwagen, zwischen Heidenheim und Augsburg. Gleichzeitig wurde der Aalen Ulmer Kurs täglich gefahren und ein Kurs, vier mal in der Woche, Heidenheim-Dischingen mit dreimaligem Anschluss nach Dillingen eröffnet. Am 1. November 1845 wurde zwischen Heidenheim und Göppingen ein täglicher Eilwagen über Böhmenkirch und Donzdorf geführt und drei Jahre später, die Eisenbahn ging schon bis nach Süßen, wurde er durch einen nach Süßen ersetzt.

Am 1. November 1859 hatte Heidenheim folgende abgehende und ankommende Eilwagen:

  • Heidenheim-Süßen mit Anschluss auf die Züge Richtung Stuttgart und Ulm,
  • Heidenheim-Ellwangen mit Anschluss auf die Post nach Hall, Crailsheim und Mergentheim,
  • Heidenheim-Nördlingen mit Anschluss auf die Züge nach Hof und Leipzig sowie Augsburg und München und
  • Heidenheim-Dillingen mit Anschluss an die Posten nach Öffingen und Donauwörth sowie auf die Züge nach Augsburg und Ulm.

Die letztgenannte Verbindung hörte laut Erlass am 25. Juli 1861 auf. An ihre Stelle trat eine tägliche Verbindung zwischen Heidenheim und Günzburg über Giengen, Hermaringen, Brenz und Niederstotzingen. Ebenfalls ab diesem Tag verkehrte eine tägliche Lokalpostfahrt zwischen Giengen und Heidenheim.

Wie seit etwa den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts der Bestand der Nebenbahnen durch die zunehmende Konkurrenz des Kraftwagens immer mehr bedroht wurde und noch wird, so erwuchs der Postkutsche eine noch viel massivere Konkurrenz in den neu entstandenen Eisenbahnlinien. Die Eisenbahnen wurden meistens entlang der bisherigen Verkehrswege erbaut, wobei die Bahneröffnung den unmittelbaren Wegfall des Postkurses zur Folge hatte. So auch im Brenztal. Das Kursbuch von 1883 zeigt noch folgende Postkurse, die im Brenztal begannen oder endeten:

  • Heidenheim-Böhmenkirch-Süßen,
  • Heidenheim-Bolheim,
  • Heidenheim-Dettingen,
  • Heidenheim-Dischingen-Lauingen-Neresheim,
  • Herbrechtingen-Heldenfingen,
  • Heidenheim-Nattheim.

Am 1. Mai 1914 wurde auf der Postwagenlinie Heidenheim-Böhmenkirch- Weißenstein erstmals ein Kraftomnibus eingesetzt. Zwar wurde der Pferdepostwagen während des ersten Weltkrieges wieder verstärkt in Dienst gestellt, konnte aber doch nicht den Einzug des Verbrennungsmotors verhindern. Der letzte im Brenztal verkehrende Pferdepostwagen, gelenkt von einem Postillion mit Peitsche und Posthorn, kehrte am 1. Oktober 1921 feierlich von Nattheim nach Heidenheim zurück.