Die hervorragende Nachricht: Schluss mit drangvoller Enge, die Remsbahn bekommt Doppelstockzüge. Die nicht ganz so gute Nachricht: Frühestens – nun ja eher allerfrühestens – Ende 2026 wird es so weit sein.
Ein regelmäßig aufploppende Ärgernis, seit im Juni 2019 die Firma Go-Ahead auf der Remsbahn den Betrieb übernommen hat und dabei die vom Land angeschafften „Flirts“, Triebzüge der Schweizer Firma Stadler, einsetzt: Manchmal sind die Wagen überfüllt, es gibt nur noch Stehplätze.
Die „Flirts“ gibt es in einen kleinen Variante mit 164 Sitzplätzen und einer größeren mit 272 Maximal zwei große und ein kleiner lassen sich auf der Remsstrecke zu einem Zug zusammenkoppeln, was eine Höchstkapazität von 708 Sitzplätzen ergibt. Aber solche Fahrten sind eher die Ausnahme als die Regel. Meist ist der Metropolexpress (MEX) 13 allenfalls mit zwei großen Wagen (544 Sitzplätze) oder einem großer und einem kleinen (436) unterwegs; und ab und zu fährt selbst in der Pendlerstoßzeit wegen technischer oder personeller Probleme nur ein einzelner kleiner „Flirt“ – 164 Sitzplätze.
Nun aber ist spektakuläre Besserung in Sicht, wie aus der Antwort von Landesverkehrsminister Winfried Hermann auf eine schriftliche Anfrage des FDP-Abgeordneten Jochen Haußmann hervorgeht: Das Land hat 130 neue Doppelstocktriebzüge des Typs Coradia Stream HC des Herstellers Alstom bestellt, Auftragsvolumen 2,5 Milliarden Euro und solche Fahrzeuge sollen künftig auch auf der Remsstrecke zum Einsatz kommen.
Ein Alstom-Doppelstöcker hat 380 Sitzplätze, aber auf der MEXI13-Remsstrecke sollen sie „untertags grundsätzlich in Doppeltraktion“ fahren: zwei aneinandergekoppelt. „Das heißt“, schreibt der Verkehrsminister, „dass für jeden MEX dann 760 Sitzplätze zur Verfügung stehen.“ Nur „in nachfrageschwachen Randzeiten sind Einfachtraktionen mit 380 Sitzplätzen vorgesehen“.
Künftig meistens 760 Sitzplätze und immer mindestens 380 statt bisher ausnahmsweise höchstens 708 und manchmal auch nur 164: eine knackige Verbesserung.
Der Coradia Stream HC hat aber noch allerhand mehr zu bieten: pro Zug 30 Fahrradplätze, bei zwei gekoppelten also 60; leistungsstarke Klimaanlage, Steckdosen für Handys und Laptops, Leselampen, Loungebereiche, Konferenz- und Familienabteile.
Nun aber zu den weniger guten Nachrichten, „Die ersten neuen Doppelstocktriebzüge“, so schreibt Winfried Hermann, sollen in Baden-Württemberg auf die Schiene gesetzt werden, sobald „im Dezember 2025“ Stuttgart 21 in Betrieb geht. Sukzessive würden danach die einzelnen Strecken im Land versorgt – die Remsschiene ist laut Plan im Dezember 2026 oder „spätestens“ im Dezember 2027 dran.
Aber was, wenn Stuttgart 21 nicht bis Ende 2025 fertig wird? Wer mag ernsthaft glauben, dass dieses Projekt, das bislang jeden Zeitplan zu Feinstaub zermahlen hat, am Ende nicht auch diese Terminkalkulation pulverisiert? Wird es bis 2028 mit den Doppelstöckern auf der Remsschiene klappen? Oder doch eher 2029?
Anlaufschwierigkeiten?
Möglicherweise muss man danach auch noch Anlaufschwierigkeiten addieren; bei der Einführung von neuen Zügen scheint das dazuzugehören.
Beispiel eins: Als im Juni 2019 die neuen „Flirts“ von Stadler auf der Remsstrecke starteten, gab es gewaltige technische Probleme, unter anderem mit Schiebetritten, die klemmten. Verspätungen und Teilausfälle waren die Folge. Das Ärgernis zog sich bis in den Dezember.
Beispiel zwei: Als im Juni 2022 neue Züge die Rheinbahn im Raum Düsseldorf zu befahren begannen, kam es ebenfalls, wie eine örtliche Zeitung berichtete, zu „Unregelmäßigkeiten im Bereich der Trittstufen“, Weiterfahrten verzögerten sich, Verspätungen schaukelten sich auf. Zuglieferant war in dem Fall allerdings nicht Stadler. Sondern: Alstom.
„760 Sitzplätze pro Zug sind eine deutliche Steigerung gegenüber heutigen Verhältnissen“, lobt auch Jochen Haußmann. Allerdings: „Als Ziel hat Winfried Hermann ja die Verdoppelung der Fahrgastzahlen ausgegeben – und die wird sich natürlich vor allem in den jetzt schon fahrgaststarken Zeiten niederschlagen, wenn zum Beispiel mehr Pendler umsteigen.“ Dann könne die Platzsituation doch wieder kritisch werden.
Der FDP-Parlamentarier nennt noch einen weiteren „Haken an der Sache“: Künftig fährt dann der MEX 13, der zwischen Gmünd und Stuttgart in Plüderhausen, Urbach, Schorndorf und Waiblingen hält, mit Alstom-Zügen; der IRE 1 hingegen, der dieselbe Strecke bedient, aber unterwegs nur in Schorndorf einen Zusteigestopp einlegt, ist weiterhin mit Stadler-„Flirts“ unterwegs. Die Triebzüge der verschiedenen Firmen sind offenbar nicht kompatibel; im Falle eines technischen Defekts kann also nicht die eine Linie der anderen mit Wagenmaterial aushelfen.
Dennoch: Die Zukunftsaussichten für die Remsbahn-Kundschaft sind gut. Jochen Haußmann träumt derweil bereits von der nächsten Verbesserung: einer „Verlängerung der S-Bahn bis Plüderhausen“.
Die Unternehmen für Bahntechnik
Der französische Konzern Alstom ist, seit er Anfang 2021 Bombardier Transportation geschluckt hat, das zweitgrößte Unternehmen für Bahntechnik weltweit: 75.000 Beschäftigte in insgesamt 70 Ländern, allein in Deutschland mehr als 8000.
Ungeschlagen bleibt derweil die China Railway Rolling Stock Corporation (CRRC) mit Hauptsitz In Peking.
Der größte Schienenfahrzeughersteller der Erde beschäftigt fast 190.000 Leute.
Im Vergleich dazu schnuckelig ist die Schweizer Firma Stadler, die den „Flirt“ produziert: gut 12.000 Beschäftigte.