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30.05.22 18:41 Uhr Alter: 3 Jahre
Der Verein soll so richtig dazugehören
Von: Nadine Rau, HZ
Lokalbahn Amstetten-Gerstetten. Als neuer Vorsitzender wurde er ins kalte Wasser geworfen und versucht jetzt, zu schwimmen: Reinhard Mallow. Wie kam er einst zur Eisenbahn und was hat er für Pläne?

Reinhard Mallow hat seine erste Märklin-Eisenbahn mit vier Jahren geschenkt bekommen. Die Häuschen, das weiß er noch genau, waren aus Holz - von Hand ausgesägt und bemalt.

Gelebt hat er damals in Kuchen, wo er aufgewachsen ist, mit zwölf Jahren zog seine Familie nach Ulm. „Wenn die Schule aus war, hatte ich dort immer noch Zeit für einen Besuch am Bahnsteig, in den 60er- und 70er Jahren gab es dort regen Dampflokbetrieb“, erzählt Mallow.

Seine Faszination galt schon immer mehr der großen als der Modelleisenbahn. Für deren Erhalt interessierte er sich bereits mit 13 Jahren und damit 1969, als sich in Ulm mehrere Freunde der Dampflok zusammenschlossen, die es ebenfalls im Sinn hatten, die Loks nicht einfach so aussterben zu lassen.

Den Verein am Leben halten

Zwei Jahre später trat er dem Verein Ulmer Eisenbahnfreunde bei, zu denen auch die Lokalbahn Amstetten-Gerstetten gehört. Und damit spannt sich ein Bogen, von damals in den vergangenen Herbst 2021, als Mallow den Posten des Vorsitzenden der Lokalbahn übernahm, um heute den Verein nicht einfach so aussterben zu lassen.

„Ich wusste zwar, dass mein Vorgänger nicht mehr weitermachen wollte. Aber dass ich gleich nach meinem Wiedereintritt das Amt vollständig übernehmen würde, war wie ein Sprung ins kalte Wasser“, erzählt Mallow im Gerstetter Lokschuppen. Wiedereintritt, das sei an dieser Stelle kurz erklärt: Erst vergangenen August trat Mallow, der sich mittlerweile im Ruhestand befindet, wieder in den Verein ein. 1986 hatte er sich für seinen Austritt entschieden - aus familiären und beruflichen Gründen.

Auch örtlich war es schwieriger für ihn geworden, hatte es Mallow doch nach Stuttgart, genauer nach Hedelfingen, verschlagen - wo er auch heute noch lebt. Das Interesse an der Eisenbahn verloren hat er in all den Jahren jedoch nicht.

Und so nimmt er es heute auf sich, ein- bis zweimal pro Woche aus Stuttgart nach Gerstetten zu kommen, um dem Verein neues Leben einzuhauchen. Sein oberstes Ziel: In der Region Fuß fassen. Die Bahn richtig vermarkten, in Zusammenarbeit mit der Gemeinde und mit den Bürgerinnen und Bürgern. Mit denen sucht er längst das Gespräch, war etwa kürzlich beim Maimarkt in Gussenstadt mit einem Stand vertreten. „Von sich aus kommt keiner zu uns, wir müssen auf die Leute zugehen“, so Mallow.

Wie sehr ihm das Thema noch immer am Herzen liegt, zeigte ihm ein Urlaubserlebnis vergangenes Jahr im Zillertal. Dort gibt es ebenfalls einen Dampfzug, mit dem er an einem verregneten Tag mitgefahren ist. „Am Endbahnhof bin ich einmal durchgegangen und habe alle Fenster zugemacht, um das Holz zu schützen. Der Schaffner draußen war einigermaßen verblüfft und meinte nur, dass das noch nie jemand gemacht habe“, erzählt Mallow schmunzelnd. Aus seiner Jugendzeit habe er es schlicht noch immer im Kopf, dass man nach der letzten Fahrt die Fenster schließt.

Der Weg für den Neueinstieg ins Vereinsleben also war geebnet. Mallow tauscht sich mit all seinen Vorgängern aus, muss dadurch nicht völlig „ins Blaue wirtschaften“, wie er sagt. Sein neues Amt bezeichnet er als einen Fulltime-Job, er fühle sich wie der Geschäftsführer einer Eisenbahn.

Kein Wunder, müssen die Fahrzeuge doch gewartet und fahrbereit gemacht werden. dass sie von den Prüfern des Eisenbahnbundesamts, die keine anderen sind als die für die Deutsche Bahn, auch für die Schienen zugelassen werden. Womit wir beim zweiten Thema wären, dem Gleisbett, das sich auch nicht von selbst in Schuss hält. Würde man es, rein theoretisch, in den kommenden Jahren auf den neuesten Stand bringen wollen, würde das mal eben 13 Millionen Euro kosten, wie sich anlässlich einer Umfrage des Landes bei Privatbahnen herausgestellt hat. „Immerhin setzt Baden-Württemberg auf die Bahn und will richtig investieren, in Bayern zum Beispiel ist das anders“, vergleicht Mallow.

In Bayern, über der Donaubrücke in Neu-Ulm, hat Mallow seine Ausbildung zum Reiseverkehrskaufmann absolviert. „Ich habe mir auch überlegt, Journalist zu werden, es letztlich aber doch wieder verworfen“, erzählt er. Statt Redaktion also Reisebüro, weshalb Mallow, mittlerweile im Ruhestand, weiß, dass Tourismus nicht von heute auf morgen funktioniert.

Will er die Lokalbahn für jedermann attraktiver machen, wird er einen langen Atem brauchen - und Unterstützung aus dem Verein, der zwar 100 Mitglieder zählt, von denen aber nur rund 15 aktiv mitgestalten und helfen. „Wir können bei uns Leute aus allen Berufsgruppen brauchen“, betont Mallow.

Ebenfalls wichtig ist es ihm, Unterstützer zu finden, die aus der Gegend kommen. Denn genau wie er mit Stuttgart weit weg wohnt, wohnen die anderen Helferinnen und Helfer größtenteils ebenfalls nicht in der Region.

„Wir gehören hier deshalb nicht so zur Bevölkerung dazu und daran will ich arbeiten.“

Wenngleich Mallow kein Journalist geworden ist, so sitzt er heute ehrenamtlich am Schreibtisch und schreibt über die Lokalbahn. Etwa darüber, dass das gesamte Gelände ein großes Freilandmuseum werden könnte, dass die Bahn für Kinder erlebbarer gemacht werden müsse. Darüber, dass der an den Lokschuppen angrenzende Schuppen stehen bleiben und künftig sinnvoll genutzt werden müsse. Ob über Zeitungen, Gemeindeblätter oder auch Facebook: Der Verein will alles versuchen, um seine Ziele zu erreichen.

 

 

 

 

Eisenbahner und Naturschützer

Reinhard Mallow interessiert sich nicht nur für die Eisenbahn, er ist auch Mitglied beim Naturschutzbund. Als „Museumsbahner“, wie er sagt, schlagen manchmal zwei Herzen in seiner Brust - zum Beispiel, wenn es darum geht, dass das Gleisbett mit Glyphosat von Unkraut befreit wird. Wichtig ist Mallow in jedem Fall, zu wissen, wie etwas genau funktioniert. Selbstverständlich für ihn, dass er deshalb beim Landratsamt einen sogenannten Spritzschein gemacht hat.