Ländliche Regionen besser an die Schiene anbinden. Das ist das Ziel der Landesregierung. Dafür sollen stillgelegte Bahnstrecken reaktiviert werden. Um potenzielle Kandidaten ausfindig zu machen, gab es eine landesweite Potenzialanalyse. „In vielen der stillgelegten Bahnstrecken steckt ein beträchtliches Potenzial. Das wollen wir heben“, so Verkehrsminister Hermann in einer Pressemitteilung.
Wie viele Fahrgäste?
Insgesamt 42 stillgelegte Strecken wurden auf ihr Fahrgastpotenzial untersucht und in vier Kategorien eingeteilt. Sind mehr als 1500 Fahrgäste pro Schultag zu erwarten, geht das Land von einem sehr hohen Nachfragepotenzial aus. 750 bis 1500 bedeuten ein hohes Fahrgastaufkommen; ein mittleres Fahrgastaufkommen entspricht 500 bis 750 Fahrgästen. Wird von weniger als 500 Fahrgästen je Schultag ausgegangen, kommt das Gutachten zum Schluss, dass für ein tägliches Angebot im Stundentakt nicht genüsend Fahrgäste erwartet werden können. Hier kann jedoch im Einzelfall geprüft werden, ob die Strecken für ein verringertes Angebot, zum Beispiel für den Freizeit- und Museumsbahnverkehr, geeignet sind.
Unter die letzte Kategorie fällt die Strecke Amstetten-Gerstetten. Auf Anfrage teilt die Pressestelle des Landes mit, dass laut der Analyse mit einem durchschnittlichen Fahrgastpotenzial in Höhe von 300 Fahrgästen gerechnet wird. „Das heißt, das Nachfragepotenzial ist relativ gering und ein Vollbetrieb wird nicht vorgeschlagen“, so Uwe Geiße, Pressesprecher der Gemeinde Gerstetten. „Ein Vollbetrieb ist laut den vorliegenden Untersuchungen offensichtlich auch nicht umsetzbar.“ Stattdessen soll laut der Studie geprüft werden, ob auf der Strecke Gele. genheits- oder touristischer Verkehr möglich ist. „Aber da die Lokalbahn ja bereits in Betrieb ist, gibt es aktuell seitens der Gemeinde keine Bestrebungen hier etwas zu ändern.“
Chance im Güterverkehr?
Was sagen die Ulmer Eisenbahnfreunde (UEF) als Eigentümer und Betreiber der Strecke zur Analyse des Landes? Der Vorsitzende des Vereins: „Das Potenzial beim Schüler- und Pendlerverkehr ist sehr gering. Aus meiner Sicht lohnt sich eine Reaktivierung nicht. Die Nutzung würde nicht im Verhältnis zu den Kosten stehen“, so Korbinian Fleischer. Mehr Chancen sieht er dagegen im Güterverkehr. So habe etwa ein Stahlhändler aus Gerstetten bereits Interesse bekundet.
Und wie steht es um eine Ausweitung der touristischen Fahrten mit den Nostalgiezügen? „Ob weiterer Gelegenheits- oder touristischer Verkehr sinnvoll ist, wurde seitens des Landes nicht geprüft“, so Pressesprecherin Julia Pieper. „Das müssten gegebenenfalls die Akteure vor Ort vornehmen.“ Dazu der Vorsitzende der Ulmer Eisenbahnfreunde: „Wir sind in dieser Saison schon zusätzlich zu den Sonn- und Feiertagen samstags gefahren. Was auch ganz gut angenommen wurde“, so Fleischer. „Unsere Fahrgastzahlen sind grundsätzlich nicht schlecht, aber natürlich versuchen wir, sie weiter zu steigern.“ So soll etwa in der kommenden Saison an Sonn- und Feiertagen zusätzlich ein Zug zwischen Ulm und Gerstetten eingesetzt werden. „Besser wäre es, wenn wir die Geislinger Steige mit einbinden könnten“, sagt Fleischer. „Aber das wird schwierig, weil wir dafür in Amstetten rangieren müssten und das ist mit Fahrgästen nicht erlaubt.“
Wohl keine Nikolauszüge
Eigentlich sollten am 5. und 6. Dezember die beliebten Nikolauszüge unterwegs sein. Coronabedingt wird das allerdings wohl schwierig werden. „Das würde uns finanziell natürlich treffen“, sagt Korbinian Fleischer. „Aber derzeit trifft es viele. Für Corona kann niemand was und besser wir lassen die Fahrten ausfallen, als dass wir ein Hotspot werden.“
Die Förderung von Bund und Land
Laut Verkehrsministerium fördert der Bund Baukosten für Reaktivierungsvorhaben mit bis zu 90 Prozent. Das Land beteilige sich an den verbleibenden Kosten, so dass im Ergebnis Streckenreaktivierungen mit bis zu 96 Prozent der Baukosten gefördert werden können. Auch Machbarkeitsstudien sollen finanziell mit bis zu 75 Prozent gefördert werden.