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19.03.18 22:12 Uhr Alter: 6 Jahre
Probefahrten auf der Härtsfeld-Museumsbahn
Von: Jürgen Ranger
In der Zeit vom Samstag, 24. Februar 2018 bis Mittwoch, 7. März 2018 fanden auf den Gleisen der Härtsfeld-Museumsbahn Erprobungsfahrten mit einem weiß lackierten Lastkraftwagen statt. Das Fahrzeug hat in dieser Zeit 700 Kilometer anstandslos zurückgelegt.

Foto: Jürgen Ranger

Das ungewöhnliche Fahrzeug wurde von der Firma ZWEIWEG International GmbH & Co. KG für Kunden aus Schwellenländern entwickelt. Es handelt sich dabei um einen Prototypen eines Straßen- und Schienentauglichen Lkw mit mechanischen Fahrantrieb der Schienenräder.

Ca. 200 solcher Fahrzeuge sind aktuell für Südafrika vorgesehen. Sie entstehen aus einem spartanisch ausgestatteten Serienfahrzeug des Herstellers ISUZU. Dieser robuste Typ wurde gewählt, damit im harten Einsatz möglichst keine Schäden auftreten. Die Montage der Fahrzeuge soll vor Ort erfolgen. Die dortige Spurweite beträgt 1.067 mm, eine in Deutschland nicht angewandtes Maß. Für die Probefahrten mussten deshalb eigens die Radsätze auf die Spurweite von 1.000 mm angepasst werden.

Die Herstellerfirma sitzt in Leichlingen bei Köln. Da der Projektleiter, Herr Michael Kübler, im Raum Crailsheim wohnt, kam er auf die Idee, die Erprobung auf den Gleisen der Härtsfeld-Museumsbahn durchzuführen. Mit ausgiebigen Probefahrten sollte die Zuverlässigkeit des System als Ganzes und des mechanischen Antriebsstranges als Spezielles getestet werden. Hauptsächlich ging es um die Erprobung des Antrieb in Bezug auf Standfestigkeit beim Beschleunigen bis ca. 60 km/h und Beharrungsfahrten mit 60 km/h. Der etwa 1,5 km lange Streckenabschnitt Steinmühle – Sägmühle im Egautal bot hierzu gute Voraussetzungen, denn die nahezu ebene Strecke ohne Bahnübergänge war genau ausreichend für diesen Zweck.

Das Aufgleisen des Fahrzeugs erfolgte am 24. Februar 2018 in Neresheim. Von dort ging es mit Lotse über eigens gesicherte Bahnübergängen in das Egautal hinab. Die automatische Halbschrankenanlage bei Neresheim musste dazu abgeschaltet werden, da der LKW diese ähnlich wie auch ein Zweiwege-Bagger gestört hätte. Da sich auf dem etwas abgelegenen Abschnitt Steinmühle – Sägmühle keine Bahnübergänge befinden, konnte auf eine Anpassung der Signal- und Warnanlage des Fahrzeugs und die Montage von zusätzlichen Rangiertritten zur Besetzung der Spitze verzichtet werden.

Wesentliche Mängel traten nicht auf. Während der Fahrten kam es allerdings zu mehreren Anfragen. So meldete sich jemand mit der scherzhaften Anmerkung, dass er sich ja durchaus vorstellen könne, weiße Mäuse oder weiße Elefanten zu sehen, aber bei einem weißen Lkw auf Schienen würde er schon etwas an seinem Verstand zweifeln.

Die Herstellerfirma ZWEIWEG blickt auf eine über 70-jährige Firmengeschichte zurück. 1940 eröffnete Walter Schneider einen Betrieb zur Herstellung von Hartmetallwerkzeugen. 1946 entwickelte das Unternehmen im Auftrag der Staatsbahn hydraulische Federn und Hydraulikhochdruckpumpen für Tiefladerachsen. Solche Tieflader – bekannt als „Culemeyer“ - werden heute noch als „fahrbare Anschlussgleise“ eingesetzt.

1960 wurde erstmals ein handelsübliches Automobil für den Rangierbetrieb auf der Schiene umgerüstet. Seit 1969 wird das System immer mehr verbessert. Dazu werden der Firma zahlreiche Patente erteilt. Den Schwerpunkt bildet die Lkw-Sparte mit hydrostatischen Schienenfahreinrichtungen und speziellen Aufbauten für bis zu 40 t Fahrzeuggewicht und 80 km/h auf der Schiene. Bekannteste Produkte sind sicher Bagger, die auf Gleisbaustellen zum Einsatz kommen. Aber auch beispielsweise für die Kölner Feuerwehr wurde ein Fahrzeug so ausgestattet, um bei Bedarf auf Straßenbahnschienen den Brandort erreichen zu können.

Im Jahr 2006 wurde aus der Firma ZWEIWEG Schneider die Zweiweg International. Sie gehört heute zur Zagro Group. Aktuell wurde die Firma Schörling Rail Tech GmbH und deren Standort in Sehnde übernommen.

Mit diesen Probefahrten wurde ein besonderes Kapitel in der Geschichte der Härtsfeldbahn fortgeschrieben. Zwischen 1954 und 1969 fanden mehrfach solche Erprobungen mit Fahrzeugen verschiedener Hersteller Statt. Die Härtsfeldbahn war für solche Erprobungen geradezu ideal. Am Albaufstieg bei Aalen konnte das Verhalten der Fahrzeuge in Steigungen und engen Kurven erprobt werden. Auf den geraden Streckenabschnitten im Donauried waren Schnellfahrten möglich. Und wer weiß: vielleicht wird die Geschichte in der Zukunft ja ab und zu fortgeschrieben?

Quellen: Angaben des Härtsfeld-Museumsbahn e.V. und des Projektleiters Michael Kübler, Homepage der Firma Zweiweg