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29.03.15 15:47 Uhr Alter: 10 Jahre
Die lange Nacht der Bergung
Von: Uwe Siedentop
MERGELSTETTEN. Noch bevor um 23.09 Uhr der letzte planmäßige Zug auf der Brenzbahn die Unfallstelle in Mergelstetten passiert hatte, begannen bereits die Vorbereitungen für den Aufbau des nagelneuen 130-Tonnenkran neben dem Unfallwagen. Ein aus Ulm kommender Hilfszug stellte um die Unfallstelle zunächst die Beleuchtung auf.

Voll ausgeleuchtet warten die beiden havarierten Waggons auf ihre Bergung.


Ein nagelneuer 130-Tonnen-Kran kommt zum Einsatz.


Kurz vor der Hebung des Waggons.


Der Waggon hängt in den Ketten und wird waagrecht positioniert.


Kurz vor dem Berühren der Gleise.


Der Wagen ist wieder auf den Gleisen und bereits abtransportiert. Es beginnt die Abrüstung des Krans.


Kurz vor der Abfahrt in den frühen Morgenstunden. Fotos: Uwe Siedentop

Die Bergung eines beladenen ca. 80 bis 90 Tonnen schweren Waggons benötigt seine Zeit: Zwischen dem letzen Zug um 23.09 Uhr und dem ersten Zug um 6.55 Uhr sollte der Wagen wieder auf die Gleise gestellt werden. Zwei bis drei Stunden waren vorgesehen.

Doch bereits im Bahnhof Mergelstetten kamen die ersten Verzögerungen: Die vorgesehene Schublok V90 und der nagelneue 130-Tonnen-Kran vertrugen sich nicht, die Technik der Bremsen konnten nicht gekoppelt werden. Somit mußte der Kran verspätet mit eigener Kraft zur Unfallstelle fahren.

Am Unglückswagen angekommen, begannen sofort die Aufrüstarbeiten: Teilen des langen Zuges, bereitlegen der schweren Ketten, positionieren der Unterlegvorrichtungen für die Stempel des Krans sowie drehen des Krans in die richtige Position. Bereits hier zeigten sich die Tücken der neuen Technik. Ständig verweigerte sie das Ausführen bestimmter Vorgänge: Die vielen Sensoren überwachten jede Tätigkeit des Kranes und wenn Abhängigkeiten nicht übereinstimmten, stoppte er den Vorgang. So konnte der Kran nicht gedreht werden oder sein angehängtes Gewicht heben, wenn die Stempel nicht auf eine bestimmte passende Länge ausgefahren waren. Offensichtlich war das Team noch nicht auf den neuen Kran eingestimmt. Es war sein zweiter ernsthafter Einsatz.

Dieser Umstand zog sich durch den gesamten Bergungsvorgang und verursachte immer wieder zeitliche Verzögerungen. Erst nach dreieinhalb Stunden, so gegen 3.30 Uhr (jetzt Sommerzeit) begannen die ersten Hebeversuche am Waggon. Allerdings waren weitere Standortveränderungen des Kranes notwendig und gegen 4.30 Uhr hing der Waggon in der Waagrechten, allergings noch nicht überm Gleis.

Jetzt galt es, den Wagen in Richtung Mergelstetten zu ziehen, um dabei das in der Luft hängende Drehgestelle auf das Gleis zu bekommen. Dazu war wieder eine Positionsänderung des Kranes notwendig und eine am Kran angebrachte Seilwinde sollte den Wagen auf das Gleis ziehen. Aber auch hier waren die Sensoren nicht willig: Mal funktonierte die Winde – mal nicht. Nach längeren Versuchen mit der Winde wurde kurzerhand die bereit stehende sechsachsige Diesellok der Baureihe 232 eingesetzt und der Wagen stand um ca. 5.50 Uhr mit drei seiner vier Räder auf den Schienen. Und nach erneuter Positionskorrektur des Kranes konnte die vierte Achse des am 30. Novembers 2013 verunglückten Waggons aufgegleist werden. Der noch mit Kohle beladene Wagen wurde schließlich in den Bahnhof Mergelstetten gezogen und auf seine Fahrbarkeit hin untersucht.

Unter Zeitdruck, es war schon 6.15 Uhr, begann das Abrüsten des Kranes. Auch hier zeigte sich, dass die Technik des neuen Kranes noch nicht beherrscht wurde. Mehrere Versuche, den Kran um 180 Grad zu drehen, scheiterten an den schon genannten Sensoren. Erst als die Stempel in der richtigen Position standen, so gegen 6.45 Uhr, konnten die schweren Werkzeuge und Hilfsmittel eingesammelt werden und der Hilfszug verließ, eine halbstündige Verspätung des morgendlichen ersten planmäßigen Zuges verursachend, das Streckengleis.