Mit ihrer Eingleisigkeit ist die Brenzbahn an den Auslastungsgrenzen angelangt. Deshalb sollen die Kapazitäten im Personenund Güterverkehr erweitert und die Taktzahl erhöht werden. Dieses Anliegen soll gerade im 150. Jahr der Brenzbahn deutlich formuliert werden. Geplant wurde dieser Höhepunkt bereits vor vier Jahren: Uwe Siedentop, passionierter Eisenbahnhistoriker, und Dr. Martin Burkhardt, seit Kurzem neuer Vorsitzender des Heimatund Altertumsvereins Heidenheim, kamen im Gespräch auf das anstehende Brenzbahnjubiläum.
Ein 150-Jahre-Jubelfest kommt so schnell nicht wieder, das muss genutzt werden, waren sich die beiden einig.
Im vergangenen Jahr, Siedentop war mittlerweile in den Vorstand des Heimat- und Altertumsvereins gewählt, ging es daran, die Jubiläumsfeier konkret zu planen.
Vorträge zur Verkehrsgeschichte, Exkursionen zu ansässigen Firmen mit Gleisanschluss und zur Stuttgart-21-Baustelle sowie eine große Sonderausstellung in zwei Museen auf dem Schloss Hellenstein waren rasch konzipiert und um einiges aufwändiger umgesetzt.
Der Vorstand des Heimat- und Altertumsverein wird nicht müde zu betonen, dass er sich nicht deshalb für die Geschichte interessiert, weil früher vermeintlich alles so schön war, sondern um die Gegenwart zu verstehen und die Zukunft besser gestalten zu können. So musste er nun noch ein aktuelles politisches Ausrufezeichen setzen. Da lag es nahe, Verantwortliche für die Zukunft der Brenztalbahn gemeinsam auf eine Bühne zu bringen. Die sollten sich untereinander und von einem kritischen Publikum begleitet darüber austauschen, welche Brenztalbahn sie künftig haben wollen. Umdie Debatte gleich in die richtige Richtung rollen zu lassen, schien ein etwas provokanter Titel für die Veranstaltung geeignet: „150 Jahre Brenzbahn – 150 Jahre Warten aufs zweite Gleis“.
Der Landesminister für Verkehr und Infrastruktur, Winfried Hermann, konnte Dank der guten Verbindungen der Heidenheimer Grünen zu ihm rasch dafür gewonnen werden, das Thema öffentlich zu diskutieren.
Als der Vorstand dann bei Landrat Thomas Reinhardt um Unterstützung nachsuchte, rannte er offene Türen ein: Reinhardt hatte die Brenzbahn bereits nach ganz oben auf seine Agenda gesetzt und gründete nur wenige Monate später das unter dem Namen „Interessengemeinschaft Brenzbahn“ bekannte breite Bündnis von Politik, Wirtschaft und Verwaltung, das politisch für einen zweigleisigen Ausbau kämpft.
Da die Bundesrepublik nach wie vor Eigentümerin der Deutsche Bahn ist, lag es nahe, den Abgeordneten einzuladen, der den Wahlkreis Aalen-Heidenheim im Deutschen Bundestag vertritt.
Roderich Kiesewetter sagte trotz seines dicht gefüllten Terminkalenders bereitwillig zu.
Dirk Seidemann beschäftigt sich als stellvertretender Verbandsdirektor beim Regionalverband Ostwürttemberg hauptamtlich mit Planen und Entwickeln.
Konkret ist er dort für den Themenbereich Schienenverkehr zuständig und kümmert sich für Ostwürttemberg um die Planungen zu einer Regionalen S-Bahn Donau-Iller – bei der die Brenzbahn als eine Teilstrecke ausgebaut werden würde.
Gerd Ocker arbeitet seit mehr als 25 Jahren in der Logistik der BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH und leitet seit Jahresbeginn die Logistikstandorte Giengen, Vohenstein und Dillingen. Die BSH verfrachtet nach wie vor den größten Teil ihrer Waren mittels der Brenzbahn in alle Welt – und würde gerne mehr auf diesem Weg versenden, stößt aber an Kapazitätsgrenzen.
Matthias Lieb ist der Landesvorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), der sich für einen umweltverträglichen Verkehr mit allen Verkehrsmitteln einsetzt. Dabei misst der VCD der Bahn naturgemäß eine tragende Rolle zu. Jüngsten Äußerungen von Lieb zufolge bezahlt das Land mit dem Verkehrsvertrag aus dem Jahr 2003 eine Milliarde Euro zu viel an die Deutsche Bahn AG.
Diese fachlich hochkarätig besetzte Expertenrunde war bald an einen Tisch gesetzt. Nun ergab sich das Problem:Wen interessiert eine „Diskussion“, wenn sich alle einig sind? Wenn alle eine zweigleisige, elektrifizierte Brenzbahn wollen? Nun, beim Ziel mögen die Diskutanten weitgehend übereinstimmen. Doch spannend wird es gewiss zu erleben, welche widersprechenden Meinungen hinsichtlich des konkreten Weges zu diesem Ziel, bezüglich der Verantwortlichkeiten, der Zeitpläne und vor allem der Finanzierung aufeinandertreffen.
Offen bleibt schließlich, ob die Veranstalter am Schluss ihr Ziel erreichen: nämlich verbindliche Aussagen zur Zukunft der Brenzbahn zu bekommen.