Bei so großem Andrang kann es schon einmal passieren, dass die auf dem Gelände eigentlich vorgeschriebenen Warnwesten ausgehen: Mehr als 150 Menschen versammelten sich am Dienstagabend vor den Toren des Logistikzentrums der Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH in Giengen und warteten auf Einlass. „Wir sind begeistert von einem derart großen Interesse an unseren Betriebsbesichtigungen“, sagte Ingrid Kriesten, Geschäftsführerin des Heimat- und Altertumsvereins Heidenheim (HAV).
Gemeint ist die vom Verein organisierte Veranstaltungsreihe „Wirtschaftsgeschichte am Ort“, die, passend zum Jubiläum der Brenzbahn, derzeit ein besonderes Augenmerk auf Unternehmen mit Zuganbindung legt. Mit der Führung durch das BSH-Werk ging die Reihe nun in die gut besuchte vierte Runde. So kam es, dass der Besucheransturm in einer Art Blockabfertigung bewältigt werden musste.
Es ist ein Jahr der Jubiläen im Kreis Heidenheim und dazu zählt neben der Brenzbahn auch das Werk der BSH selbst. Denn schon vor 70 Jahren übte sich die Unternehmensführung in Weitsicht und verlegte einen wichtigen Standort der Robert Bosch GmbH kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs vom französischen Elsass ins beschauliche Giengen. „Hier waren weniger Kriegsschäden zu befürchten“, erklärte Frank Ratter, kaufmännischer Leiter der Logistik. „Und es waren sowohl Bahnanbindung als auch zukünftige Mitarbeiter vorhanden.“
Der heute größte Arbeitgeber der Stadt war geschaffen und längst dreht sich bei Bosch-Siemens in Giengen nicht mehr alles um die Fertigung von Kühlschränken. Allein im Logistik-Bereich sind mittlerweile 400 Mitarbeiter beschäftigt, kurven großteils mit beinahe geräuschlosen Gabelstaplern durch die Gänge der insgesamt 105 000 Quadratmeter großen Lagerhallen. 80 Prozent aller von Bosch und Siemens produzierten Staubsauger, Toaster und was sonst noch unter die Kategorie Consumer Produkts fällt, landen früher oder später in Giengen. „Für diese Produktpalette stellt die Stadt aufgrund ihrer günstigen Lage mittlerweile das Zentrallager dar“, sagte Versandleiter Andreas Richter.
Von Giengen geht es dann mittels Bahn oder LKW zu Umschlagspunkten in Deutschland und von dort in die ganze Welt. Auch externe Firmen wollen von diesem Netz gebrauch machen, so macht sich zweimal im Monat eine Ladung Öttinger-Bier von Giengen auf den Weg nach Dubai. 250 LKW verlassen täglich das Werk, gefolgt von einem Güterzug, beladen mit 45 bis zum Rand gefüllten Containern. „Welches Transportmittel zum Einsatz kommt hängt von der Dringlichkeit ab“, erklärte Andreas Richter. So sei ein LKW in sieben Tagen in Moskau, während ein Güterzug dafür mindestens doppelt so lange brauche. „Der fährt über Hamburg und St. Petersburg und in Russland müssen wir uns der größeren Spurbreite anpassen“, so Richter.
Der Vorteil allerdings: Der Transport auf der Schiene sei günstiger. Auch wenn die Güterzüge zumindest derzeit noch in Ulm oder Aalen zweigeteilt werden, da sie Giengen am Stück nicht anfahren können. „Ein möglicher Brenzbahnausbau wäre für uns in dieser Hinsicht eine enorme Hilfe“, sagte Richter. „Die Züge könnten länger sein und wir wären flexibler.“
Die Kapazitäten sind da. 2013 wurde das Containerterminal zuletzt vergrößert. 1000 Stück, 20 Fuß lang, haben dort Platz und warten darauf beladen und abgefertigt zu werden. Maximal für 14 Tage. Danach fallen für die Lagerung Mehrkosten an und die Container werden zur Not leer auf die Reise geschickt. Noch.