Mit einem neuen Landesticket soll der Wirrwarr der Nahverkehrsverbünde im Südwesten überwunden werden. „Mit einer Fahrkarte soll künftig von jeder Nahverkehrshaltestelle jede andere im Land erreicht werden können“, sagte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) in Stuttgart.Nahverkehr müsse einfach und überschaubar sein.
Ähnlich wie das Baden-WürttembergTicket der Bahn soll esNetzkarten, aber auch Einzeltickets geben, die in mehreren der 22 Verbünde gelten. „Wir werden bei den Verbünden auf dieses Ziel hinwirken.“ Alle öffentlichen Verkehrsmittel vom Bus bis zum Interregio-Express sollen erlaubt sein. Ein ermäßigtes Semesterticket für Studenten soll in einem nächsten Schritt eingeführt werden.
Der VCD-Landesverband begrüßte den Vorstoß des Verkehrsministers.
Das einheitliche Landesticket werde vom Verkehrsclub schon lange gefordert, „die alte Landesregierung hat aber nie so richtig rangewollt“, sagteMatthias Lieb, der Vorsitzende des VCD im Südwesten.
„Jetzt hat das Ticket bessere Chancen.“ Die Regierung könnte es aber auch einfacher haben: Mit dem bereits angebotenen Baden-WürttembergTicket, das dann eben ohne Sperrzeit verkauft werden müsste, also zur Benutzung auch wochentags schon vor neun Uhr. „Das haben wir im vergangenenHerbst vorgeschlagen“, sagte Lieb.Die Landesregierung habe aber ablehnend reagiert, weil das Ticket von der Bahn angeboten werde und eine Änderung zusätzliche Kosten für das Land bedeuten würde.
Verkehrsminister Hermann kündigte zudem eine neue europaweite Ausschreibungsrunde für den ZugNahverkehr an, bei der auch kleinere Unternehmen als die Bahn Chancen erhalten sollen. Dazu werde das Netz in etliche kleine regionale Lose aufgeteilt. Das Auftragsvolumen beläuft sich auf insgesamt zehn Milliarden Euro. Die CDU-geführte Vorgängerregierung habe 2001 drei Viertel des Verkehrsvolumens ohne Ausschreibung an die Bahn vergeben und dabei dem Konzern jährlich 100 Millionen Euro zu viel gezahlt, monierte der Grünen-Politiker. „Das war ein Köder für die Bahn, um die damals noch zögerliche Bahn bei Stuttgart 21 bei der Stange zu halten.“ Den Großteil der Ausschreibungen wird das Land Ende 2012, Anfang 2013 vornehmen. Die Zahl der Wettbewerber der Bahn allein im Südwesten bezifferte Hermann auf eine Handvoll. Dass dem Konzern die Aussicht auf eine echte Konkurrenz nicht gefalle, hätten Bitten von Bahnvertretern umeine Auftragsverlängerung gezeigt. „Wir erwarten Kosteneinsparungen im Umfang von 100Millionen Euro pro Jahr, die wir in besseren Service – dichtere Taktung und mehr Komfort für die Kunden – stecken werden“, erläuterte der Minister. Anders als die Bahn sei er davon überzeugt, dass der öffentliche Verkehr nur durch ein besseres Angebot und mehrNutzer wirtschaftlicher gemacht werden kann – nicht durch höhere Preise. „Ich bin gegen einen Nulltarif, Mobilität ist kostenträchtig und wird bereits in hohemMaße subventioniert.“ Damit kleinere Firmen ihre Chancen auch nutzen können, erwägt Hermann, den Betrieb und das Bereitstellen der Fahrzeuge zu entkoppeln.
„Wir müssen sicherstellen, dass auch kleine Unternehmen sich an der Ausschreibung beteiligen, ohne das Risiko eines Kaufs neuer Fahrzeuge eingehen zu müssen.“ Dabei sei es möglich, dass eine private oder landeseigene Gesellschaft Waggons verleast oder das Land beim Zuschlag auch eine Garantie für den Wiedereinsatz der Fahrzeuge gibt.
Aus Sicht von Hermann ist auch die aktuelle Information von Kunden im öffentlichen Nahverkehr bedeutend für dessen Erfolg. „Die Fahrgastechtzeitinformation soll bis 2016 einigermaßen flächendeckend sein, das wird ein Leuchtturmprojekt“, kündigte er an. Mit Mobiltelefonen sollen die Informationen abrufbar sein. Insbesondere auf dem Land sei es wichtig, dass die Kunden schnell über Verspätungen oder Anschlussmöglichkeiten benachrichtigt werden. Dafür will das Land mehr als fünf Millionen Euro investieren.
Tickets im Nahverkehr
Neun Nahverkehrsverbünde rund um Stuttgart bieten ein Metropol-Ticket an. Zielgruppe sind die 5,4 Millionen Einwohner im Großraum. Das Ticket kostet für die erste Person 18,50 Euro, für jede weitere der höchstens vier Mitfahrer vier Euro zusätzlich. Zwei Personen können also für 22,50 Euro von Heilbronn bis zur Burg Hohenzollern und zurück fahren – oder von Freudenstadt zum Freizeitpark Tripsdrill.
Wer im ganzen Land unterwegs ist, nimmt das Baden-Württemberg-Ticket. Es gilt einen Tag, werktags aber erst ab 9 Uhr. Mit dem Fahrplanwechsel kam es zu einer Tarifänderung: Bis dahin kostete das Ticket für fünf Personen 29 Euro. Jetzt zahlt eine Person 21 Euro und jeder weitere der höchstens vier Mitfahrer vier Euro. Eigene Kinder oder Enkel bis 15 Jahre fahren kostenlos mit.
14,50 Euro kostet das „RegioX“-Ticket, es gilt ab Kauf 24 Stunden in den Verkehrsverbünden Karlsruhe, Pforzheim-Enzkreis, Calw und Freudenstadt.