Als einer der Initiatoren vor Ort sprach der SPD-Landtagsabgeordnete Andreas Stoch von einer „Veranstaltung, wie sie es so noch nie gegeben hat“: Parteien, die im Tagesgeschäft beileibe nicht immer einer Meinung seien, zögen nun am gleichen Strang. Sechs wichtige Wochen stünden bis zur Volksabstimmung an, Wochen, in denen man, so Stochs Hoffnung, „kühler und rationaler“ über das Streitthema diskutieren werde – „mit der Kraft der Argumente statt mit Beleidigungen – oder der Verletzung von Menschen“, spielte Stoch auf den „schwarzen Donnerstag“ 2010 an.
Hauptredner des Abends war Ulms Oberbürgermeister Ivo Gönner, der sich seit Jahren für das Bahnprojekt stark macht.
Gönner, seit bald 20 Jahren im Chefsessel des Ulmer Rathauses, griff weit in die Vergangenheit zurück, erinnerte an Grundsatzentscheidungen, die man schon 1993 für eine neue Bahnstrecke von Stuttgart nach Ulm gefällt habe.
„Es ist das Schicksal großer Projekte, dass sie eine lange Laufzeit haben – und dass heute Menschen darüber nachdenken, die damals noch nicht einmal geboren waren.“ So gerate in Vergessenheit, dass man an die 60 Planvarianten geprüft habe, am Ende den Bahnhofsumbau mit der Schnellbahn nach Ulm und all das wieder mit dem Ausbau der Autobahn 8 gekoppelt habe.
„Heute heißt es dann, man solle noch einmal neu anfangen.“ Die Milliarden für Stuttgart 21 seien Mittel für den Schienenfernverkehr, bei einem Aus des Projekts flösse das Geld nicht in Nebenstrecken, sondern schlicht in Großprojekte in anderen Bundesländern. Dann seien Projekte in Hessen, Bayern oder Nordrhein-Westfalen an der Reihe.
„Das Geld geht nicht an Schulen oder Kindergärten.“ Gönner, von Haus aus Jurist, hat auch seine Zweifel an den Möglichkeiten des Kündigungsgesetzes, über das am 27. November abgestimmt wird. „Es ist noch nicht einmal raus, ob diese Kündigung akzeptiert würde“, so Gönner. Denkbar sei, dass das Land Entschädigungen in nahezu gleicher Höhe bezahlen müsste.
„Die Kündigung würde teuer bezahlt – und das Land wäre dann kein Partner mehr.“ Gebaut werde am Ende aber womöglich doch noch.
Spannend wurde es aus lokaler Sicht besonders, als Gönner die regionale Bedeutung des Projekts ansprach: Die neue Schnellbahn werte Ulm als Verkehrsknoten auf und damit die gesamte Region.
Gönner skizzierte die Ulmer Idee eines S-Bahn-Netzes, das auch auf der Brenzbahn bis nach Heidenheim reichen würde. Mehr Vertaktung und mehr Züge brächten mehr Passagiere. „Es geht nicht um einen Bahnhof in Stuttgart, es geht um den Bahnverkehr zwischen Stuttgart und München.
Heidenheim und Ulm liegen da mittendrin.“ Aus eigener Erfahrung berichtete Gönner vom Streit um den Ulmer Straßenbahn-Ausbau vor zwölf Jahren. Ein Bürgerentscheid lehnte den Ausbau knapp ab, Millionen an Fördergeld flossen nach Heilbronn. „Heute bauen wir die Straßenbahn in Raten aus, es wurde teurer und hat eben viel länger gedauert. Solche Projekte kann man nicht einfach in den Eisschrank legen und frisch halten.“ „Weiterbauen statt weiterstreiten“ wäre Gönners Ziel – und er warb bei den Anwesenden nachdrücklich, für das Bahnprojekt zu werben. „Mit Einsatz, aber ohne Schaum vor dem Mund“.
„Wir werden doch nicht so dumm sein, das Geld an andere Länder abzugeben und dann noch Strafe zu zahlen?“, so Gönners Kollege Bernhard Ilg in seinem Schlusswort. Ilg bat darum, den „Wahltag“ ernst zu nehmen – und bat die rund 180 Besucher treppab ins Museumszimmer. Die privat angesetzte Veranstaltung musste nämlich nach einer Stunde dem Theaterring weichen, der den großen Saal des Konzerthauses belegte.
Debatte Fehlanzeige: S-21-Befürworter bleiben unter sich
Ausdrücklich zweigeteilt sein sollte die Veranstaltung der S-21-Befürworter im Konzerthaus: eine knappe Stunde Vortrag im Obergeschoss, danach der Wechsel ins Restaurant und die Einladung, ins Gespräch zu kommen.
Am Montag hat das nicht geklappt: Zwar war ein Dutzend aktiver S-21-Gegner zu sehen, doch es blieb dabei, den Besuchern vor der Tür Informationsblätter mit Argumenten gegen das Bahnprojekt auszuhändigen.
In der „Nachsitzung“ blieben die Befürworter – unter ihnen Vertreter der Wirtschaft sowie die Oberbürgermeister und Bürgermeister von Heidenheim, Giengen, Nattheim, Dischingen, Königsbronn und Hermaringen – weitgehend unter sich.