Mit einem solchen Ansturm hatten die Organisatoren wohl nicht gerechnet, und so wurde es schon deutlich vor Beginn der Veranstaltung im Saal des Elmar-DochHauses ordentlich eng. Am Ende kamen so viele Besucher, dass die Veranstalter auch auf dem Gang vor dem Saal Stühle aufstellen mussten.
Was der 'Stern'-Journalist und 'Stuttgart-21'-Experte Arno Luik und der pensionierte Bahnoberrat Egon Hopfenzitz über das gigantische Bahnprojekt zu sagen hatten, ging weit über die bei öffentlichen Veranstaltungen skandierten Parolen hinaus. Beide boten fundierte Informationen zum Projekt – aus ganz unterschiedlicher Sichtweise – und legten den Zuhörern doch mittlerweile Bekanntes dar.
'Warum sollte man einen gut funktionierenden 17-gleisigen Kopfbahnhof aufgeben, wenn ein geplanter achtgleisiger Tiefbahnhof die Züge nicht aufnehmen kann?' fragte Hopfenzitz und bezeichnete das Projekt als 'gigantische Verschwendung von Steuergeldern.' Der frühere Vorsteher des Stuttgarter Hauptbahnhofs erläuterte die Geschichte der verschiedenen Planungen, die bis ins Jahr 1980 zurückreichten und immer wieder modifiziert worden seien. Dabei sei früh klar gewesen, dass alles nicht so funktionieren könne, wie es dargestellt wird. 'Aber mit der Macht der Politik wurde 'Stuttgart 21' immer wieder aufgegriffen und vorangetrieben', sagte Hopfenzitz, und bezeichnete das gesamte Vorhaben als riesiges Immobilienprojekt. 'Die Gier nach Boden ist in Stuttgart ungebrochen', sagte er und erklärte, dass der Quadratmeterpreis für die freiwerdenden Gleisflächen des Güterbahnhofs bei 4000 Euro liege.
Durch die Verlegung des Bahnhofs unter die Erde werde viel Bauland frei, mit dem sich 'dicke Geschäfte' machen ließen. Fraglich sei allerdings ob es rechtens ist, dass die Stadt Stuttgart von der Bahn Gelände kauft, das der Bahn wiederum einst vom König geschenkt worden sei, um hier die Eisenbahn zu bauen, ergänzte Arno Luik.
Als Wahnsinn bezeichnete Hopfenzitz die Planungen, 'unter Stuttgart 57 Kilometer Gleise zu verlegen, in diesem engen Talkessel.' Er wies auf die schwierige geologische Situation Stuttgarts hin und darauf, dass viele Zugtypen gar nicht die Möglichkeit hätten, den geplanten Tiefbahnhof zu befahren. Zudem werde es für Reisende keinerlei Komfort mehr geben, ganz abgesehen davon, dass der geplante Bahnhof in keiner Hinsicht mehr behindertenfreundlich sei. Eines der größten Probleme sei jedoch der Mangel an Gleisen, der auch dazu führe, dass einige etablierte Zugverbindungen gestrichen werden müssten. Wie am Bahnhof ließ Hopfenzitz auch an der geplanten neuen Bahnstrecke nach Ulm kaum ein gutes Haar. Auch hier unterstellte er gigantische Fehlplanungen, die letzten Endes dazu führten, dass Milliarden Euro vergraben werden, und etliche Situationen noch verschlechtert würden, etwa weil die geplante Neubaustrecke zu steil sei.
Auch Arno Luik zeigte in seinem Beitrag Beispiele für nicht ausgereifte und nicht nachvollziehbare Planungen auf. Doch waren es vor allen Dingen die Insider-Informationen, die ihm im Zuge seiner umfangreichen Recherchen zugespielt wurden, die das Publikum aufhorchen ließen.
So berichtete Luik von Gutachten, die totgeschwiegen werden sollten, ebenso wie von Verstrickungen von Politik und Wirtschaft, die ein ganz neues Licht auf die 'Stuttgart-21'-Planungen und verschiedene Ereignisse werfen.
Das umfangreiche Gutachten des schweizer Büros SMA, das die Fahrplantauglichkeit des geplanten Bahnhofs untersuchte, sei für die Planer verheerend ausgefallen. 'Im Klartext heißt es da: das ist Unsinn, Irrsinn, lasst es sein', erklärte Luik. Erschrecken im Publikum löste auch die Erkenntnis aus, dass sich viele Entscheider im 'Stuttgart-21'-Prozess Luiks Recherchen zufolge gar nicht intensiv mit den Fakten auseinandergesetzt haben, sondern vielmehr darauf vertrauen, dass alles schon irgendwie funktionieren werde: 'Bahnchef Grube kannte die Studie gar nicht.' 'Jeder denkt über den Kauf eines Paars Schuhe länger nach als die Verantwortlichen bei der Entscheidung zum Bau von ,Stuttgart 21‘', warf der Journalist den Politikern und Bahnmanagern vor. Auch er zeigte etliche technische Details auf, die bewiesen, dass das gesamte Projekt mitsamt der Neubaustrecke seiner Ansicht nach keinen Sinn machen und betonte unter anderem die sehr schlechten Sicherheitsaspekte.
Wie Hopfenzitz ging auch Luik auf die Immobilienspekulationen im Zusammenhang mit 'Stuttgart 21' ein, die nur durch seine Recherchen aufgedeckt worden seien. Außerdem habe er Unterlagen und Beweise dafür, dass die offiziell genannten Kalkulationen nicht stimmen und das gesamte Projekt erheblich teurer werde.