Herr Landrat, Sie sind als ranghöchster parteiloser Politiker des Kreises generell in einer privilegierten Position – immerhin können Sie ganz unabhängig von einem Parteibuch für oder gegen etwas sein. In Sachen Stuttgart 21 haben Sie sich sehr deutlich für den Bau der Schnellbahntrasse Ulm-Stuttgart ausgesprochen. Sind Sie auch für den Bahnhofsumbau in Stuttgart?
Man muss ja wissen, dass das Eine eng an das Andere geknüpft ist. Es gibt keine Schnellbahnstrecke ohne Stuttgart, man kann die Hauptstadt ja nicht abkoppeln. Richtig ist, dass es mir wie den meisten Heidenheimern vor allem darauf ankommt, schnell in Stuttgart und am dortigen Flughafen zu sein. Ob man im Zentrum in einem unterirdischen Durchgangsbahnhof oder einem modernisierten Kopfbahnhof ausstiege, ist aus hiesiger Sicht sicher zweitrangig.
Aus Stuttgarter Sicht nicht. Befürchten Sie, dass der Zank um den Bahnhofsumbau in Stuttgart die Neubaustrecke nach Ulm gefährden könnte?
Die Sorge kann man haben. Ich denke, es gibt zwei Alternativen: Man setzt das Projekt Stuttgart 21 um, dann werden die erheblichen Finanzmittel im Land gehalten. Oder Stuttgart kippt das ganze Projekt, dann sind die Mittel weg, und es gibt genügend andere, die sich darüber freuen würden. Man sollte auch nicht vergessen, dass das Vorhaben alle nach unserem Rechtsverständnis nötigen Instanzen durchlaufen hat. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, wenn das Thema nun vor der Landtagswahl hochkommt.
Gehen wir mal davon aus, dass die Schnellbahnstrecke gebaut wird. Dann komme ich per Zug inunter einer halbenStunde von Stuttgart nach Ulm, brauche dann aber doppelt so lange von Ulm nach Heidenheim, weil es an der Brenzbahn hapert. Kritiker fürchten ja, dass ein Milliardenprojekt dem Ausbau kleinerer Bahnstrecken die Mittel entzieht.
Das glaube ich nicht.DerAusbau der Schnellbahnstrecke wird den gesamten Knoten Ulm erheblich aufwerten, und davon profitieren auch seine sechsZubringerstrecken, die ja entsprechend attraktiv sein müssen. Darum habe ich die gemeinsam mit meinen Landratskollegen abgegebene Erklärung pro Stuttgart 21 ja um die Erwartung ergänzt, dass zur neuen Schnellbahn auch die Brenzbahn attraktiver werden muss.
Und zwar wie?
Das kann man in drei Punkte fassen: Erstens ist das verwendete Wagenmaterial nicht zufriedenstellend. Wir wünschen uns auf der Brenzbahn mehr Kapazitäten für eine kostenlose Fahrradmitnahme, eine bessere Kinderwagenmitnahme und natürlich schlicht genügend Wagenmaterial, um der Überfüllung in den Stoßzeiten Herr zu werden. Zweitens brauchen wir die Taktverdichtung: Man sieht doch, dass ab Langenau deutlich mehr Menschen mit dem Zug fahren – und zwar allein schon darum,weil der Takt dort attraktiver ist.
Das möchte ich auch bis in den Landkreis Heidenheim. Schließlich muss eine attraktive Brenzbahn auch die Randzeiten besser bedienen. Bei vielen Punkten sind wir mit der Bahn im Gespräch, da wird sich auch etwas tun.
Den Ruf nach Zweigleisigkeit habe ich jetzt nicht gehört.
Nach Zweigleisigkeit muss ma nnicht rufen, die ergibt sich von selbst. Ebenso wie eine Elektrifizierung der Strecke. Dass momentan erst ab Langenau ein engerer Takt möglich ist, ergibt sich aus der kürzeren Strecke nach Ulm. Je weiter die Züge aber nach Ulm verkehren, desto häufiger stehen sie sich bei einem engeren Takt imWeg. Es gibt genaue Berechnungen darüber, wie stark die Zahl neuralgischer Punkte bei einerTaktverdichtung steigenwürde.Allein ausdemWunschnacheinem engeren Takt ergibt sich die Notwendigkeit eines zweigleisigen Ausbaus ...
... von dem man seit 1867 spricht.
Das ist wahr. Aber es ist auch wahr, dass die Brenzbahn noch vor rund 20 Jahren in ihrem Bestand gefährdet war. Nun hat man sie ausgebaut, sie ist sogar für Neigetechnik tauglich, auch wenn wir bisher, offenbar aus technischen Problemen heraus, derzeit keine Neigetechnikzüge auf der Strecke haben. Der Bau der Schnellbahntrasse wird die Bahn noch attraktiver machen, und wenn die Bahn auf den Hauptstrecken mehr Fahrgäste haben will, muss sie auch die Zubringerstrecken aufwerten. Es kann in der Tat nicht sein, dass ein Zug auf dem Weg zur ICE-Trasse eine Viertelstunde auf den Gegenverkehr wartet. Das zweite Gleismuss her.
Würde der Kreis dafür auch in die eigene Tasche greifen? Oder müsste er es gar?
Es ist üblich, dass ein Landkreis sich bei derartigen Vorhaben an den Planungen beteiligt – auch finanziell. Aber ansonsten ist das eine Aufgabe von Bund und Bahn. Wir haben eine Kosten/Nutzen-Analyse erstellen lassen, die aufzeigt, dass die Ausbaukosten im Betrieb wieder hereinkämen. Das heißt, dass der Betreiber angesprochen ist.
Wie lange würde es denn dauern, bis ein zweites Gleis kommt – jetzt, wo der BrenzbahnAnwohner Georg Brunnhuber in der Berliner Bahn-Zentrale sitzt?
Herrn BrunnhubersUnterstützung ist spürbar und sie ist für die ganze Region hilfreich. Aber als Realist sehe ich, dass ein Ausbau nur schwerlich noch vor zehn Jahren klappen kann. Doch genau darum müssen wir heute Flagge zeigen, uminZukunft dann auch etwas zu bekommen. Wenn wir die Brenzbahn ausbauen, in Ulm einen leistungsfähigen Knoten haben und die Schnellbahntrasse nach Stuttgart, dann wird dieFahrt vonHeidenheimzum Stuttgarter Flughafen nur noch 40 oder 50 Minuten dauern. Dann steigen die Menschen auf die Schiene um, dann haben auch die örtlichen Firmen eine attraktive Anbindung. Und dann ist ein Ausbau des Verkehrslandeplatzes Elchingen vielleicht gar kein Thema mehr.
Auf der Straße haben wir ja eine ganz ähnliche Situation, wie wir sie nach dem Bau der Schnellbahnstrecke hätten: Die Bundesstraße 10 wird im Filstal ausgebaut, man kommt ruckzuck von Stuttgart nach Süßen – und krebst dann auf der B 466 bis Heidenheim.
Auch die B 466 ist eine wichtige Lebensader unserer Region. Und, wie die Brenzbahn, ist dieseAder noch längst nicht zufriedenstellend. Ehe man dort einen Laster überholen kann, muss man kilometerlang hintendrein fahren. Eine unserer Forderungen ist daher auch, dass die Bundesstraße 466 ausgebaut wird. Dazu hat der Kreis ja eineStudie inAuftrag gegeben.
Mit welchem Ergebnis? Vierspuriger Ausbau oder dreispuriger? Mit Heidenheimer Tunnel und Umfahrung Söhnstetten?
Wir wollen die B466 bedarfsgerecht ausbauen, mehr möchte ich dazu noch nicht sagen, denn die Studie wird erst am 4. Oktober öffentlich vorgestellt. In der Tat sehe ich einenAusbau in Verbindung mit dem Heidenheimer Innenstadttunnel. Und in letzter Konsequenz auch mit einer Umfahrung Söhnstettens.
Und der Albaufstieg? Die Zusammenarbeit mit Göppingen gilt als knifflig, weil man dort Mautausweichverkehr fürchtet und lieber gar keinen Ausbau der B466 bis zur A7 hätte.
Wir haben auch in Sachen Mautausweichverkehr Untersuchungen angestellt, die keinen Anlass zu derartigen Befürchtungen bieten.
Ganz im Ernst: So attraktiv, dass man auf dem Weg von Stuttgart nach Würzburg über Göppingen undHeidenheim fährt, kann selbst eine optimal ausgebaute B466 nicht sein.
Welchen Zeitrahmen sehen Sie denn beim Ausbau der B466?
Auch hier geht es um kurzfristige und mittelfristige Ziele. Unser Forderungskatalog betrifft den Generalverkehrsplan des Landes, und dort aufgenommen zu werden, ist die Grundlage dafür, es in den Bundesverkehrswegeplan zu schaffen.
In den wollen viele Vorhaben.
Stimmt. Leider kommt in Stuttgart eine echte „Wünsch-Dir-was“-Liste aus den Kreisen an. Darum ist es so wichtig, dass wir unsere Forderungen sehr konkret untermauern, darum stellen wir all die Untersuchungen an. Ich hoffe, das hebt uns ab. Und man weiß natürlich in Stuttgart, dass bessere Straßen auch unseren namhaften Unternehmen wichtig sind. Das hilft.
Dass nach dem jahrelangen Monopol des B29-AusbausnunauchdieB 466 in denFocus rückt, mag ja zunächst richtig sein.Aber übersieht man nicht andere Notwendigkeiten im Straßennetz?
Nein, sicher nicht. Im Kreis Heidenheim hat sich doch gerade an derB492 enormviel getan: Es gab dieUmfahrungHerbrechtingen und die Umfahrung Hermaringen, die neue Strecke von Brenz nach Medlingen kommt und dann noch der Abschnitt Hermaringen-Brenz. Dann ist die B492 eigentlich komplett, dann wäre die B466 dran. Und wenn die Bundesstraßen dann erledigt sind, gibt es natürlich auch bei den Landesstraßen viel zu tun.
Man denkt nicht nur an das Langzeitdrama der Heuchlinger Ortsumfahrung.
Auf der Gerstetter Alb geht es jetzt an den dritten Bauabschnitt Gerstetten-Gussenstadt. Aber dann geht es auch um die Umfahrung Heuchlingen, denn die ist wichtig und muss kommen.
Vor oder nach dem Heidenheimer City-Tunnel?
InHeuchlingen istmanmit der Planungerheblich weiter, und die Bauverhältnisse sind dort auch weitaus einfacher. Und schließlich schreibt sich das Land ja die Entwicklung des ländlichen Raumes auf die Fahnen. Da sollte etwas gehen. Im Übrigen sind das gar keine konkurrierenden Maßnahmen, da Heuchlingen in die Zuständigkeit des Landes fällt und der City-Tunnel in die Baulast des Bundes.
Das Land schätzt den ländlichen Raum bestimmt, zum Beispiel als Wasserlieferant. Die Stadt Niederstotzingen fühlt sich durch entsprechende Auflagen regelrecht erdrückt und in der eigenen Entwicklung behindert.
DieWasserschutzzone ist eine Erschwernis für unsere Entwicklung, das ist wahr. 97 Prozent des Kreises liegt in Wasserschutzgebieten. Im Großteil des Kreises gilt zwar nur Schutzzone III, aberNiederstotzingen und Sontheim liegen in der Schutzzone IIbzw. I, und da sind die Beeinträchtigungen enorm, nicht zuletzt auch für die lokalen Firmen.
Umso dümmer, dass man teils nur in die Nachbarschaft wechseln muss, um doppelwandige Lagerbehälter und ähnliche Erschwernisse vergessen zu können. Das klingt für Laien befremdlich.
DieAbgrenzung der Zonen wird von Geologen vorgenommen, da geht es dann auchumunterirdische Fließrichtungen und ähnlich komplexe Sachverhalte. Das ist sicher keine Willkür, auchwenn es an derOberfläche manchem Betroffenen so scheinen mag – und natürlich der massive Nachteil bleibt. Mich ärgert viel mehr, dass im Kreis Heidenheim Jahr für Jahr 39 Millionen Kubikmeter Trinkwasser gefördert werden, von denen wir selbst nur sechs Millionen brauchen. 33 Millionen Kubikmeter liefern wir dem Rest des Landes, wir nehmen für andere Regionen die Lasten auf.Und dann müssen wir noch den Wasserpfennig nach Stuttgart abliefern. Das sind in der Summe aller Beteiligten, also Zweckverband Landeswasserversorgung, Kommunale Wasserversorgung und Zweckverbände, Industrie,Gewerbe und Gärtnereien immerhin 2,13 Millionen Euro jährlich.
Wie passend, dass man nun auch noch über ein mögliches Atommüll-Endlager auf der Alb spricht. Ist das eigentlich realistisch oder nur ein Schreckgespenst?
Mir ist ehrlich gesagt schon das Schreckgespenst zuwider. Bekanntlich kommt nun wieder eine Dynamik in die Endlagersuche, weil durch die geplante Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke noch einmal 25 bis 30 Prozent mehrAtommüll anfallen wird. 2007 hatte man eine Studie über mögliche Lagerstätten für Atommüll in Auftrag gegeben, und damals wurde auch die Schwäbische Alb genannt. Noch wörtlicher: Die Tonschichten, die manungefähr zwischen Biberach undHeidenheim finden kann.
Diese Schichten galten aber nur als untersuchungswürdig, nicht als geeignet.
Eben. Einflüsse von Wasserschutzzonen wurden in der Studie ausdrücklich noch gar nicht berücksichtigt. Darum bin ich auch der Überzeugung, dass uns die Wasserschutzzone wie ein Schutzschild vor weiteren Endlager-Plänen schützen kann.
Wir hören auf, wie wir anfingen:Was hält der parteilose Landrat Mader eigentlich vom Atomstrom?
Nicht allzu viel. Gerade im Kreis Heidenheim gibt es von derWasserkraftforschung über die Photovoltaik bis zur Windkraft und Biomasse genug Beispiele, wie man besser an Energie kommt. Ein gesunder Mix, mit dem Ziel, mittelfristig den Atomstrom zu ersetzen, wäre mein Idealbild einer zukunftsweisenden Energieversorgung.
(Mit Hermann Mader sprach Hendrik Rupp von der Heidenheimer Zeitung)