KREIS HEIDENHEIM. Elegant in die Kurve liegen. Das geht derzeit auf den Bahnstrecken in der Region nicht mehr. Auf Weisung des EisenbahnBundesamtes wurde die Neigetechnik in den Zügen, weil störanfällig, abgeschaltet. Verspätungen sind die Folge.
Ohne Neigetechnik können die Züge nicht mehr mit höherer Geschwindigkeit in die Kurven „gehen“.
Die Züge sind automatisch langsamer auf der Strecke. Es kommt zu Verspätungen im Minutenbereich.
Das bedeutet, dass nicht mehr in jedem Falle die Passagiere darauf vertrauen können, dass sie in Ulm auf dem Hauptbahnhof oder im Knotenbahnhof Aalen die Übergänge auf die Fernzüge nach München, Stuttgart oder Nürnberg schaffen.
Im Bahnbetriebswerk Ulm raufen sich die Techniker die Haare.
In Ulm werden zentral für die Region die dieselbetriebenen Schienenbusse gewartet und für die nächsten Einsätze vorbereitet.
Nach einem Bericht der „Stuttgarter Zeitung“ von gestern wurde die Neigetechnik auf den Strecken von Ulm nach Friedrichshafen und weiter nach Basel, von Ulm nach Aalen, von Ulm nach Sigmaringen und von Stuttgart über Tübingen nach Aulendorf abgeschaltet.
Betroffen sind die SchienenbusTypen VT 611 und 612 mit denen der Interregio-Express gefahren wird. Laut einem Bahnsprecher würde die Neigetechnik seit ihrer Einführung vor zehn Jahren immer wieder Probleme aufweisen. Wiederholt mussten Notfahrpläne in Kraft gesetzt werden, weil bestimmte Züge aus dem Verkehr gezogen worden waren.
Bei den aktuellen Kalamitäten wurde verfügt, dass beispielsweise Interregio-Express 3250, der zwischen Sigmaringen, Tübingen und Stuttgart verkehrt, derzeit fünf Minuten eher in der Hohenzollern-Stadt abfährt, um überhaupt einigermaßen im Plan seine Unterwegsziele zu erreichen.
Nach Auskunft des EisenbahnBundesamtes in Minden wurde die Notbremse für alle Züge gezogen, nach dem in zwei VT 611 und 612 der Antrieb der Neigetechnik nicht mehr richtig funktionierte: Entweder legten sich die Züge nicht mehr oder zu stark in die Kurve und richteten sich danach nicht mehr wieder auf. Ein zu schnelles in die Kurve gehen birgt die Gefahr in sich, dass der Zug im ungünstigen Falle aus derselben fliegt. Von Konstruktionsfehlern wird gesprochen und auch davon, dass es den Hersteller der Triebfahrzeuge, die Firma Adtranz, als solche nicht mehr gibt. Die Ingenieure von Bombardier sinnen derzeit auf eine Lösung des Problems. Im Ländle sind 50 VT 611 Züge auf den Schienen. Die VT 612 verkehren mit Masse zwischen Baden und der benachbarten Pfalz. Bundesweit sind es 250 Züge des Typs VT 611 und VT 612. Je nach Strecke werden bis zu 160 Stundenkilometer gefahren.
Auf der Brenzbahn verkehren auch Triebwagen der Baureihe VT 650, die vorwiegend im Takt der Regionalbahn verkehren und so ziemlich alle 21 Haltstationen entlang der 71 Kilometer langen Strecke zwischen Ulm und Aalen bedienen. Die Reisezeit beträgt zwischen 51 Minuten und einer Stunde und 13 Minuten.
Von der Abschaltung der Neigetechnik sind auf der Brenzbahn „nur“ sechs Zugpaare betroffen.
Ein Bahnsprecher sagte gestern, dass diese Züge weitgehend im Plan nach einem festen Umlauf verkehren. Die Verspätungen auf der Brenzbahn hätten mit der abgeschalteten Neigetechnik nichts zu tun. Die Gründe lägen in der Eingleisigkeit, in zusätzlichen Zugkreuzungen (falls die Brenzbahn als Umleitungsstrecke genutzt wird) und im gelegentlichen starken Passagieraufkommen.
Eine Störung in einer Weiche, eine verklemmte Türe oder eine nicht voll funktionierende Bremse sind weitere Ursachen für Verspätungen.
Sicherheit geht bei der Bahn also unverändert vor. Wie lange die Züge sich nicht mehr neigen dürfen? „Wir wissen es noch nicht. Es kann schnell gehen oder es kann Wochen dauern,“ hieß es dazu bei der Bahndirektion in Stuttgart.