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16.06.09 13:17 Uhr Alter: 15 Jahre
Begeisterung auf Schwäbisch
Von: Andreas Böhme / SWP / HZ
Nach den Wahlerfolgen der Stuttgart-21-Gegner machen die Befürworter mobil. Doch die Schwaben tun sich schwer mit dem Schwärmen.

Stuttgart. Die gute Nachricht ist rasch erzählt: Seit gestern wirbt eine hübsch bemalte E-Lok für das Bahnprojekt „Stuttgart 21“.

Sie kutschiert Regionalzüge durchs Land, und ihre erste Tour führte nach Ulm, wo man besonders von der Schnellbahnstrecke profitiert, die das Land mit dem Ausbau des Bahnhofs der Landeshauptstadt verknüpft hat.

Und nun die schlechte Nachricht: Noch immer tun sich die Befürworter, also Land, Stadt Stuttgart, Regionalverband und die Bahn sehr schwer selbst mit solch kleinen, symbolischen Reklamegesten.

Erst steht die Werbelok ganz hinten auf dem Bahnsteig, wo sie nur Eingeweihte sehen. Dann rauscht sie davon, ehe die Fotografen zur Kamera und die Honoratioren zum Filzmaler greifen können, umunter den Logos der Projektpartner zu unterschreiben.

Schließlich schwelgt der Regionalpräsident in Kindheitserinnerungen und schwadroniert davon, wie lästig seinerzeit die S-Bahn-Baustellen für die Landeshauptstadt waren und wie viele Läden pleitegingen – bis ihn Werner Klingberg, Bahnchef im Südwesten, endlich einfängt mit den beschwörenden Worten: „So schlimm wird es nicht.“ Hernach rollt die Lokomotive in den Bahnhof zurück und wird, unter den Blitzlichtern der Fotografen, an einen Regionalzug gekoppelt – wiewohl an der falschen Seite – direkt vor dem eigentlichen Führerstand.

Stuttgarts OB hat leider keine Zeit und schickt nur seine Sozialbürgermeisterin, die brav ein „in Vertretung“ vor ihr Autogramm setzt.

Geschützt ist die Abordnung durch Sicherheitskräfte und Grenzbeamte, die aber diskret im Hintergrund stehen. Denn nicht ein einziger der zahlreichen Stuttgart21-Gegner nimmt die Aktion so ernst, dass er sich hätte blicken lassen.

So also sieht Begeisterung auf Schwäbisch aus . . .

Man hätte die Lok deshalb vielleicht gleich auf den geheimen Bahnsteig 9 3/4 rangieren können.

Der ist, wissen Harry-Potter-Leser, nur für Zauberlehrlinge einsichtig.

Wenn das Vorhaben die Verkehrspolitik „der nächsten 100, 200 Jahre neu ordnet“ wie Verkehrsstaatssekretär Rudolf Köberle (sein Minister war auch verhindert) glauben machen will – dann braucht es schon eine ganze Menge mehr Zauber.