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25.03.09 00:46 Uhr Alter: 16 Jahre
Ulm setzt auf die Schiene
Von: HANS-ULI THIERER / SWP / HZ
Straßenbahnnetz fast verdoppelt, jetzt folgt die Strecke zur Uni. Ulm hat sein Straßenbahnnetz erweitert und setzt weiter auf die Schiene. Als nächstes soll der Uni-Campus durch die Schiene erschlossen werden – zehn Jahre nach einem Bürgerentscheid gegen die Tram.

Der ehemals Stuttgarter GT4 in der Schleife bei der Ulmer Messe.


Ebenfalls wie die Stuttgarter GT4 stammen die alten Ulmer Triebwagen aus der Werkstatt der Esslinger Maschinenfabrik.


Einer der neuen Triebwagen in Ulm.


Nach dem Ulmer Messegelände geht die neue Strecke unter der Brenzbahn in Richtung Böfingen.

Ulm. Streckenlänge der Schiene von 5,6 Kilometer auf gut 10 Kilometer fast verdoppelt; Kosten 20,5 Millionen Euro; plus 5,6 Millionen, für die die Stadtwerke zwei neue Straßenbahnfahrzeuge anschafften.

Das sind die nüchternen Zahlen.

Hinter ihnen steckt mehr als nur die Erweiterung der Tram, die bemerkenswert genug ist, schließlich ist Ulm momentan die einzige Stadt in Baden-Württemberg, die die Schiene im Stadtverkehr im größeren Stil ausbaut. Europa- und weltweit befindet man sich in der schwäbischen Provinz damit allerdings in guter Gesellschaft: Von Berlin bis Baltimore, von Alicante bis Algier zieht sich eine Schienenspur über den Globus. In vielen Städten werden Straßenbahnsysteme (wieder) aufgebaut. Vorneweg fahren die Franzosen, was vor der Haustür des Landes zu besichtigen ist: etwa in Straßburg oder Mülhausen.

Die Renaissance der Straßenbahn ist vielschichtigen Erkenntnissen geschuldet, etwa städtebaulichen.

„Straßenbahn ist ein städtisches, ungemein urbanes Verkehrsmittel.

Auf dem Land gibt es die Straßenbahn nicht“, sagt der Ulmer Oberbürgermeister und Städtetagspräsident im Land, Ivo Gönner.

Hinzu komme der ökologische Aspekt. Kein Mensch bestreite mehr, dass der Kampf der Städte gegen Schadstoffe und Feinstaub vielfältigeMaßnahmen erfordere. Dazu gehöre es auch, den Autoverkehr einzudämmen und ihm umweltfreundlichere Nahverkehrsnetze entgegenzusetzen, um die Erreichbarkeit der Städte zu gewährleisten.

Ulm setzt auf Straßenbahn und Bus. „Überall, wo wir große Fahrgastströme erreichen, ist die Schiene richtig.Wo die Fläche zu bedienen ist, hat der Bus Berechtigung“, sagt Ingo Wortmann, Chef der Stadtwerke-Verkehrsbetriebe.

Mit der soeben vollendeten Streckenverlängerung in den Stadtteil Böfingen erreichen im Ulmer Osten rund 50 000 Personen mehr oderweniger bequem die Schiene. Die Stadtpolitik hat Wortmann bereits den Auftrag erteilt, die Planungen für den Schienenausbau im Westen voranzutreiben. Gönner schwebt vor, den Campus auf dem Oberen Eselsberg, wo sich Universität, Hochschule, Kliniken und Privatwirtschaft zur Wissenschaftsstadt vereinigen, als nächstes mit der Straßenbahn zu erschließen. Gerade haben Stadt, Land und die verschiedenen Institutionen einen Masterplan vereinbart. Er steckt bauliche Perspektiven der Wissenschaftsstadt ab und berücksichtigt, dass 400 bis 500 Millionen Euro investiert werden, darunter allein 175 Millionen Euro für eine neue Chirurgie am Uni-Klinikum. Dieser Masterplan sieht die Schiene als Rückgrat des öffentlichen Nahverkehrs in der Wissenschaftsstadt.

2013 soll mit dem Bau der neuen Linie begonnen werden.

Derweil lässt die Nachbarstadt Neu-Ulm prüfen, ob eine Straßenbahn wirtschaftlich tragbar ist; das heißt, ob sie wie die Ulmer Linien kein größeres Zuschussgeschäft wäre als Buslinien es sind.

Zumindest auf Ulmer Seite können alle politischen Parteien inzwischen nicht genug Schiene bekommen.

Dies zeugt davon, dass die Verkehrsdiskussion jenseits der alten ideologischen Gräben geführt wird.

1999 noch hatten CDU und große Teile der Freien Wähler einen Bürgerentscheid gegen ein Fünf-LinienKonzept angeführt. Auch wenn das Bürgervotum am Quorum, der notwendigen Stimmenzahl scheiterte, so akzeptierte Gönner die knappe Mehrheit gegen das damals mit Kosten von einer halben Milliarde Mark veranschlagte Großprojekt doch zunächst. Jetzt kommt der Schienenausbau in kleineren, überschaubaren Schritten.