Elchingen Wolfgang Fröscher blickt auf seine Errungenschaften. Rund um den ausrangierten Unterelchinger Bahnhof hat er im Laufe der Zeit viel angesammelt: zwei Lampenschirme, Kippmulden, Metallwerkzeuge, Original-Signale, Weichen und vieles mehr. Ja sogar eine total verrostete Lokomotive aus dem Jahr 1938 liegt unter einer Plane verborgen. Kurz gesagt: Alles, was nur im entferntesten mit Eisenbahnen zu tun haben könnte. Für manche mag es wie haufenweise Schrott aussehen, für Fröscher dagegen ist es mehr. Viel mehr. Die Eisenbahn ist sein Leben.
Seit 2004 gehört dem 51-Jährigen das mittlerweile ausrangierte Bahnhofsgebäude - 200 Meter westlich der neu gebauten Bahnsteige. Auch den dazu gehörigen Schuppen und die Lagerflächen hat er gekauft. "Damit alles zusammenbleibt", sagt er. Während er das erklärt, rauscht ein Güterzug am Bahnhof vorbei. Vielleicht fünf Meter von ihm entfernt. Fröscher hebt die Hand und nickt freundlich. Der Lokführer hupt - und winkt zurück. "Wenn man 35 Jahre bei dem Verein ist und lange auf der Brenzbahn als Werkmeister tätig war, kennt man seine Pappenheimer", meint Fröscher.
Doch ist dieser Lärm eines durchrauschenden Zuges, nur wenige Meter neben seinem Wohn- und Schlafzimmer, nicht ohrenbetäubend? "Nein, das klingt wie Musik in meinen Ohren", erzählt Fröscher. Wenn der erste Zug früh morgens nicht pünktlich um halb Fünf vorbeifahre, frage er sich, wo er wohl stecken geblieben sei. Und was das Problem sein könnte.
Fröscher ist Eisenbahner durch und durch, lebt quasi für die Bahn - wenngleich er nicht mit allen Vorhaben seines inzwischen privatisierten Arbeitgebers, der Deutschen Bahn, einverstanden ist. Schon als Kind sei er vom Bahnhof Hermaringen ("genau bei Streckenkilometer 37,4") nicht wegzukriegen gewesen. Eine Bratwurst und eine Spielzeugeisenbahn hätten ausgereicht, um ihn zufriedenzustellen, erinnert er sich an die Erzählungen seiner Mutter. Schon damals sei er "mit dem Bahn-Virus infiziert" gewesen.
Mit 16 Jahren dann habe er schließlich Maschinenschlosser gelernt. Und wie könnte es anders sein: bei der Bahn. Er blieb dem Unternehmen treu. Heute arbeitet Fröscher im Augsburger Gleisbauhof. Zudem ist er selbstständiger Unternehmer : repariert, inspiziert und wartet Bahngleise. So komme er in ganz Süddeutschland herum - und finde immer wieder neues Material. Material für ein privates Eisenbahn-Museum, das er im Erdgeschoss seines Bahnhofsgebäudes aufbauen will. Einzige Voraussetzung: "Die Utensilien sollen einen direkten Bezug zu Unterelchingen haben. Oder zumindest zur Brenzbahn." Alles will er im Stil der 50er und 60er Jahre halten.
Fröscher geht durch die Eingangstür in den Raum, in dem früher der Fahrdienstleiter saß. Hier sollen sehr alte Bahn-Uniformen, Plakate, Bilder und ein Kurbeltelefon die Besucher in eine längst vergangen geglaubte Zeit versetzen. Ein Weihnachtsbaum aus Plastik, total eingestaubt, tut sein Übriges. Uralt sei dieser. "Aus der Zeit, als die ersten Plastikbäume auf den Markt kamen", erzählt Fröscher. Und dieses besondere Exemplar habe dem Fahrdienstleitern über Jahrzehnte hinweg die einsamen Tage und Nächte in der Vorweihnachtszeit versüßt - oder zumindest etwas erträglicher gemacht. Ebenfalls sehr alt sei ein Tresor, der bis in die 40er Jahre von der Post genutzt worden sei. "Ich krieg ihn aber leider nicht auf", bedauert Fröscher.
Der absolute Hingucker jedoch soll ein fast komplett erhaltenes Stellwerk der Vereinigten Eisenbahnsignalwerke aus Braunschweig werden. Baujahr 1930. Nur wenige Einzelteile fehlen, wie etwa Bezeichnungsschilder. Es sei sehr schwierig, dafür Ersatzteile zu bekommen, erklärt Fröscher. Denn das Werk, in dem die Rarität gebaut wurde, existiert schon lange nicht mehr.
Das Stellwerk, so wie es vor ihm steht, sei einzigartig. "Es handelt sich um eine Mischbauart - aus Einheitsstellwerk und Bauart Jüdel." Dabei werden die Signale und Weichen mittels Seilzug bedient. Anders als bei herkömmlichen Einheitsstellwerken werde bei dem Unterelchinger Exemplar aber die Einfahrt auf den Gleisen per Handhebel, und nicht mit einem Kurbelwerk geregelt. Das Stellwerk steht bereits im Bahnhofsgebäude - und soll dort auch bleiben.
Dass er selbst in Unterelchingen gelandet ist, verdankt Fröscher eher einem Zufall als strikter Planung. Zu Reparaturarbeiten sei er vor zehn Jahren gerufen worden, "wegen schlechter Gleislage". Als er dann das leer stehende Gebäude erblickt hatte, erkundigte er sich beim Fahrdienstleiter. Wenige Tage später konnte er die - damals total heruntergekommene - 120 Quadratmeter große Wohnfläche besichtigen. Wenig später zog er - gemeinsam mit seiner Frau, die mittlerweile verstorben ist - ein. Heute lebt er dort mit seiner neuen Lebensgefährtin.
Die unterstützt ihn kräftig bei seinem Vorhaben, das Eisenbahn-Museum ("ein Lebenswerk") aufzubauen. Wann dieses schließlich seine Pforten öffnen wird, kann Fröscher noch nicht abschätzen. "Ob ich damit noch fertig werde? Ich bin ja schon 51", sagt Fröscher augenzwinkernd. Utensilien jedenfalls hat er mehr als genug zusammengetragen. Einzig: die Zeit fehle ihm, um voranzukommen.
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Wolfgang Fröscher will im Unterelchinger Bahnhofsgebäude ein Eisenbahn-Museum aufbauen
Von: Oliver Heider /SWP
Auf den ersten Blick herrscht Chaos: Doch für Wolfgang Fröscher ist es mehr als das. Der 51-Jährige sammelt unzählige Utensilien für sein geplantes Bahnmuseum. Einzig: Die Zeit fehlt ihm, um voranzukommen.
Kategorie: Aktuelles, Museumsbahnen
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