Unser Büchertipp:
Haupt- und Nebenstrecken in Ostwürttemberg
Kalender mit Bilder der Brenztalbahn für das Jahr 2025
Württembergische T. Das Nesthäckchen der Reichsbahn und seine Vorgänger
Eine Dokumentation über die Anfänge des öffentlichen Stadtlinienverkehrs in Stuttgart - 1860 bis 1897
17.07.08 23:44 Uhr Alter: 16 Jahre
Plädoyer für eingleisige Sanierung
Von: Oliver Hillinger (übermittelt von Dietrich Paulini)
Eisenbahner äußern Unverständnis, dass Teile der Remsbahn 2009 gesperrt werden sollen. (26 Donnerstag, 17. Juli 2008 Stuttgarter Zeitung Nr. 165 REMS-MURR-KREIS [Abschrift des Auszugs aus Mitteilung vom 17.07.2008 von Herrn Hillinger])

 

SCHORNDORF. Ehemalige Bahnbauleiter und Signalexperten kritisieren die monatelange Vollsperrung der Remsbahn östlich von Schorndorf im kommenden Sommer. Bei entsprechender Planung ließe sich der Betrieb [Ergänzungen dp in dieser Schrift.: zeitweise] eingleisig aufrechterhalten, sagen sie.

Kommendes Jahr herrscht auf der Remsbahn östlich von Schorndorf der Ausnahmezustand. Von April bis Ende Juli wird der Bahnbetrieb zwischen Schwäbisch Gmünd und Aalen ruhen, von Ende Juli an zwischen Schorndorf und Schwäbisch Gmünd sowie hinter Aalen zwischen Goldshöfe und Nördlingen. Die Bahn plant eine Erneuerung aller Schienen und Schwellen sowie des Gleisbetts. Rund 50 Busse werden in dieser Zeit eingesetzt, um einen Schienenersatzverkehr zu gewährleisten (siehe nebenstehender Kasten [unten angehängt]) „Verstehen Sie es als positives Signal für die Region“, sagte Christian Becker von der Niederlassung Südwest der DB Netz AG bei der Vorstellung der Pläne im Mai.

Dietrich Paulini, Ruheständler und 21 Jahre lang Baubetriebsleiter [Na ja: Baubetriebsplaner wäre wohl die exakte Bezeichnung.] bei der ehemaligen Bundesbahndirektion Stuttgart, und Rolf Klöpfer, einst dort für Signaltechnik zuständig [vor allem bei anderen wichtigen Stellwerksprojekten], können diese Vorgehensweise nicht nachvollziehen. Er wolle nicht als Besserwisser erscheinen, aber mit seiner Erfahrung, wie Baustellen eingerichtet werden, decke sich dies nicht, sagt Paulini. Es sei „gute und bewährte eisenbahntechnische Praxis“, dass zweigleisige Strecken im zeitweise eingleisigen Betrieb umgebaut werden. So sei bisher bei allen Streckensanierungen verfahren worden, seit die Remsbahn von Stuttgart nach Aalen im Jahr 1926 komplett zweigleisig ausgebaut wurde.

Zum Nachweis hat Paulini ein Diagramm erstellt, das einen eingleisigen Zugverkehr zwischen Schorndorf und Schwäbisch Gmünd abbildet. Seine Berechnungen ergeben, dass zu den Hauptverkehrszeiten morgens zwischen 6 Uhr und 9.45 Uhr sowie abends zwischen 16.30 Uhr und 18.45 Uhr ein eingleisiger Betrieb möglich wäre. Die Hauptrichtung der Züge wäre morgens Richtung Stuttgart, abends Richtung Aalen. Unter diesen Umständen wären viel weniger Busse als Schienenersatzverkehr notwendig, sagt Dietrich Paulini.

[Aus der Bildlichen Übersicht geht hervor, dass in der genannten Zeit morgens mindestens 8 stark besetzte Züge in Richtung Stuttgart fahren können, abends die gleiche Anzahl in Richtung Aalen. Es wurde unterstellt, dass in dieser Zeit auch IC verkehren. Wir können davon ausgehen, dass im Berufsverkehr die Materialzufuhr von Aalen oder Stg-Untertürkheim wegen des starken Zugverkehrs gar nicht möglich ist (näher liegende Bahnhöfe haben fast keine Abstellmöglichkeiten). Auch wird eine eingleisige Betriebsweise auch bei Nacht oder an Wochenenden ohne Bautätigkeit möglich sein. Wir werden sehen, wie konzentriert die Arbeiten ablaufen und uns dann noch genug ärgern! dp.]

Der Nachschub an Schotter, Schienen und Schwellen hätte zudem mit der ehemaligen Infrastruktur der Bahn sehr gut außerhalb der Hauptverkehrszeiten angeliefert und vor Ort zwischengelagert werden können. Doch habe sie sich selbst die Voraussetzungen dafür genommen, weil sie in den vergangenen Jahren im großen Stile Nebengleise abgebaut habe, auf denen die Möglichkeit bestanden hatte, Material zu lagern und Bauzüge abzustellen. Am Bahnhof Plüderhausen sei ein ehemaliges Ausweich- zum Abstellgleis geworden, am Bahnhof Lorch und in Schwäbisch Gmünd habe die Bahn Gleise abgebaut. Paulini und Klöpfer mutmaßen gar, mit der Sanierung sollten vorhandene Stellwerke in Plüderhausen und Lorch aufgelöst werden.

[Nach dem Ausbau der Bahnhöfe (Zugmeldestellen) Plüderhausen und Lorch (Württ) entsteht ein Streckenabschnitt von über 20 km ohne Überleitstellen. Damit sind künftig die Überleitmöglichkeiten bei Betriebsstörungen geringer als auf der Neubaustrecke Mannheim – Stuttgart! Die Vollsperrung der Remsbahn wird unvorhersehbare Folgen bei Störungen auf der Hauptabfuhrstrecke Stuttgart – Ulm haben, weil die Remsbahn die einzig mögliche Umleitungsstrecke ist. dp.]

Früher habe bei der Bahn das Prinzip geherrscht, Pünktlichkeit, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit gleichermaßen hoch zu bewerten, sagt Dietrich Paulini. Die Verlässlichkeit des Fahrplans habe damals sehr hoch im Kurs gestanden. Heute schlage das Pendel immer mehr Richtung Wirtschaftlichkeit aus. Dass ein höherer Personalaufwand nötig wäre, um den Zugbetrieb aufrechterhalten zu können, räumen Klöpfer und Paulini ein. Bei eingleisigem Betrieb rechnen sie jedoch mit einer Bauzeit von „maximal einem Jahr“.

Ein Sprecher der Bahn bezweifelte gestern diese Berechnung. Die Bahn nennt als Bauzeit bei eingleisiger Sanierung dreieinhalb Jahre. Zudem sei für eine umfassende Sanierung eine Vollsperrung besser, weil dann auch Brücken und Durchlässe erneuert werden könnten

[Wer das glaubt, wird selig! – Ich glaube nicht, dass es der Bahn gelingt, die vorhandenen Bahnübergänge in der geplanten Sperrzeit zu beseitigen oder andere Brückensanierungen durchzuführen. Die Beteiligung der Gemeinden nach dem Eisenbahn-Kreuzungsgesetz wird da zu Schwierigkeiten führe. Auch bei Sanierung von Durchlässen ist eine Vollsperrung nicht erforderlich. dp. Zitat von Watzlaw Havel: „Hoffnung bedeutet nicht die Überzeugung, dass eine Sache gelingt, sondern die Gewissheit, dass es einen Sinn hat“. Klöpfer.].

Damit sei die Remsbahn „fit für die nächsten 30 Jahre“, das werde auch in vielen Kommunen entlang der Strecke so gesehen. Zudem sei es nicht sinnvoll, für Reparaturen Nebengleise zu erhalten, „die wir nur alle 30 Jahre brauchen“.

 

Die Vollsperrung von Teilen der Remsbahn erfordert einen umfangreichen Ersatzverkehr. Die Zahl der Gelenkbusse, die zwischen Ende Juli und Mitte Oktober 2009 zwischen Schorndorf und Schwäbisch Gmünd im Einsatz sein werden, wird auf 50 geschätzt. Der Wunsch sei, „die Auswirkungen der Sperrung so gering wie möglich zu halten“, teilte das Innenministerium gestern mit. Für die Pendler habe man „das Bestmögliche erreicht“. Das Schorndorfer Planungsamt will während der Bauarbeiten 13 Haltestellen entlang der Grabenstraße auf den Parkplätzen einrichten. Ein Teil der Busse soll ohne Halt bis Schwäbisch Gmünd fahren, ein anderer Teil die Bahnhöfe unterwegs ansteuern. Die Bahn rechnet mit 35 bis 40 Minuten zusätzlicher Fahrzeit. Um die Taktung zu erhalten, sollen sich die Abfahrtzeiten der Züge vom Bahnhof Schorndorf in Richtung Stuttgart nicht verändern

[Bei dem Interview in Schorndorf waren auch Herr Nuding und Herr Schröppel anwesend. Es ist immerhin erfreulich, dass Herr Hillinger auf das Problem dieser „gewaltsamen“ Streckensanierung in der Presse aufmerksam gemacht hat. ]